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Widerstand gegen LieferkettengesetzBetriebswirtschaftlich blind

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Die Wirtschaft sträubt sich, Verantwortung für die Lieferketten zu übernehmen. Das ist nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich falsch.

Arbeiter in einer Mine im Kongo auf der Suche nach Mineralien und Erzen für große Firmen Foto: Jürgen Bätz/dpa

V iele einheimische Unternehmen weigern sich, Qualität zu liefern. Anders lässt sich das Ergebnis der am Dienstag veröffentlichten Regierungsumfrage unter hiesigen Firmen kaum interpretieren. Menschenrechte, angemessene Bezahlung der Beschäftigten, Arbeits- und Umweltschutz in ihren ausländischen Zulieferfabriken scheinen den Vorständen weitgehend egal zu sein. So betrachtet verkaufen die Unternehmen keine guten Produkte.

Gleichzeitig agiert die Wirtschaft damit auch unwirtschaftlich. Denn für qualitativ hochwertige Waren kann man höhere Preise verlangen. Wenn in der globalen Produktion Umwelt und Menschenrechte respektiert werden, vermeiden die Firmen außerdem Imageschäden und Gerichtsprozesse. Nicht selten fallen die Kosten der Vorsorge geringer aus als die Aufwendungen für Schadensbeseitigung. Es kann für Unternehmen nützlich sein, sozial und ökologisch schädliche Billigfertigung zurückzudrängen und einen zunehmenden Teil ihres Sortiments auf Produkte umzustellen, die sich neben dem Nutzwert auch durch gesellschaftlichen Wert auszeichnen.

Ignorieren Firmen und Verbände solche Erwägungen, agieren sie nicht nur betriebswirtschaftlich blind, sondern auch menschenrechtlich verantwortungslos. Abgebrannte oder eingestürzte Textilfabriken, verseuchte Landschaften, Hungerlöhne: Deutsche Unternehmen versprechen Besserung, tun aber zu wenig. Vor allem deshalb ist nun ein Gesetz nötig, das verpflichtet, Verantwortung für die Zustände in ihren Lieferketten zu übernehmen.

Die Voraussetzungen dafür sind einerseits gut. Das Vorhaben steht im Koalitionsvertrag, Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) klemmen sich dahinter. Trotzdem könnte es lange dauern. Wirtschaftsverbände wie BDI und BDA mauern, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sperrt sich. Ob auf europäischer Ebene eine schnellere Lösung zu finden ist, steht in den Sternen. Produkte mit mieser Qualität bleiben in hiesigen Geschäften weiterhin im Angebot.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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7 Kommentare

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  • 0G
    02612 (Profil gelöscht)

    Altmaier sollte daran denken - die nächsten Wahlen kommen...

  • Anmassend? Wenn ein Wirtschaftsunternemen gewisse Standarts an die Zulieferer einfordert? Es ist ja keine kolonialistische/ religiöse Übernahme. Es geht um ein Mindestmaß an Sozialer Absicherung und Sicherheit für die Arbeiter und Schutz der Umwelt. Das ist nicht moralisierend, das ist ganz normal würde ich sage.

  • Warum geht man als Firma ins Ausland - oder kauft dort ein?

    Weil die Leute billig sind, kein teurer Arbeitsschutz betrieben werden muss und man für Umweltschäden nicht zahlt.

    Es gibt keine anderen Gründe (abgesehen von wenigen Ausnahmen im High Tech Bereich)

  • Ich weiss nicht. Ich denke, die Prioritäten sollten hier andersherum sein:

    "Ignorieren Firmen und Verbände solche Erwägungen, agieren sie nicht nur betriebswirtschaftlich blind, sondern auch menschenrechtlich verantwortungslos."

    Ich kann ja die Schüchternheit verstehen, moralische Gründe ins Feld zu führen. Man muss ja schliesslich wissenschaftlich-positivistisch argumentieren, und Wirtschaft, oh Wirtschaft ist ja eine Wissenschaft.

    Ist sie nicht. Sie ist ein Instrument.

    Vergessen wir nicht: so wie sie eingesetzt wird hat sie zu Sklaverei, zu Lumpenproletariat, zu massenhafter Prekarisierung, zu Rana Plaza und Tönnies und Geiz-ist-geil geführt.

    Ohne Wille keine Veränderung. Ohne Überzeugung kein Wille.

    BDI und Co. verhalten sich hier verbrecherisch.

  • Die Idee ist ja an sich nicht schlecht, aber hier wird trotzdem etwas versucht, was außerhalb unseres Landes gelten soll. Das ist schon etwas anmaßend und klingt so ein bischen nach dem deutschen Wesen, an dem genesen werden soll. Wenn wir das bei den Amerikanern als anmaßend und weltpolizitenmäßig empfinden und ablehnen, sollten wir nicht selber sowas machen.

  • Die Genese dieses äußerst fragwürdigen Vorhabens (warum liegt eigentlich noch immer kein Entwurf, wenigstens auf Referentenebene, vor?) ist voll von Zirkelschlüssen. Es wird z.B. behauptet, es gäbe eine Verantwortung von Unternehmen, die jetzt in Gesetzesform gegossen werden müsse. Dem ist auf rechtlicher Ebene mitnichten so. Es mag eine moralische Verantwortung geben, aber die Moral ist keine Kategorie, die zwischen Unternehmern und Verbrauchern unterscheidet.

    Es mag noch angehen, eine Konzernhaftung für Tochtergesellschaften qua Organisationsverantwortlichkeit zu etablieren, bei der Haftung für Schädigung Dritter, die durch fremde Dritte herbeigeführt werden, hört das juristische und moralische Verständnis definitiv auf. Rana Plaza wäre auch bei fürstlicher Bezahlung der dort Beschäftigten eingestürzt, aber es wird im Endeffekt verlangt, dass sich der Abnehmer der dort produzierten Waren in das lokale Baurecht und in die konkrete Bausubstanz einarbeitet. Ein inländisches Unternehmen hat nicht die Funktion einer ausländischen Berufsgenossenschaft zu übernehmen!

    Die einzige für mich begrüßenswerte Konsequenz wird sein, dass die Fertigungstiefe ins Inland, am besten ins eigene Unternehmen zurückgeholt wird. Die Arbeitsplätze im Ausland und deren Sicherheit haben diejenigen zu garantieren, denen dafür das politische und rechtliche Handwerkszeug zugemessen ist.

  • Die Wirtschaft könnte schon, wenn sie wollte - oder müsste: Jedenfalls hat man es geschafft, in Rekordzeit ein Compliance-System aus dem Boden zu stampfen, um nicht gegen die - immer detaillierteren - Sanktionen zu verstoßen, die von der US-Regierung "verhängt" werden.



    Weil man weiß, dass die US-Regierung nicht lange fackelt, wenn man deren Regeln nicht einhält.