Wickeltische in Herrenklos in den USA: Yes, we can change
Barack Obama hat ein Gesetz unterzeichnet, das Wickeltische für öffentliche Herrenklos vorschreibt. Und in Deutschland? Wickeln die Frauen.
Ausweg aus der Finanzkrise? Rettung der Autobranche? Krankenversicherung für alle? Annäherung an Kuba? Alles bald vergessen und verblasst, denn jetzt hat der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein wahres, bleibendes Erbe geschaffen: Barack Obama hat vor wenigen Tagen den BABIES-Act unterzeichnet, den Bathrooms Accessible in Every Situation Act.
Das Gesetz schreibt vor, dass in jedem öffentlichen Gebäude in den USA Wickeltische in den Toilettenräumen zur Verfügung stehen müssen – zugänglich für Frauen und Männer.
Endlich.
Klar, das Ganze ändert nichts an der Situation in Deutschland, aber vielleicht, vielleicht, vielleicht bewegt sich ja auch hierzulande etwas. Wenn wir uns schon nicht auf die generelle Einrichtung von Unisextoiletten einigen können.
Heute ist es nämlich meistens so: Wenn ich mit einem oder zwei kleinen Kindern unterwegs bin, und – sagen wir mal – Tochter eins mich mit „Kacka macht, ich hab Kacka macht, Papa, Kacka, Kacka ist in mein Windel, Kacka“ diskret darauf hinweist, dass ihre Windel gewechselt werden müsste und ich mit „Oh, hast du Kacka gemacht?“ antworte und nur Glück habe, dass meine Tochter das, was sie in diesem Moment vermutlich denkt, noch nicht artikulieren kann („Mein Gott, Schlaubi Schlumpf, was soll die Gegenfrage? Ich hab dir das doch gerade gesagt. Erst denken, dann reden!“), und ich dann mit der nächsten dämlichen Frage um die Ecke komme: „Sollen wir mal deine Windel wechseln?“, dann merke ich, dass diese letzte Frage nicht nur eine dämliche, sondern teilweise auch eine rhetorische war: Denn es gibt keine Möglichkeit meiner Tochter in dieser Behörde/diesem Laden/Flughafen/Bahnhof eine neue Windel zu verpassen. Es gibt zwar einen Wickeltisch, aber – genau – nur auf dem Frauenklo. Und da zählt es nicht, dass wenn ich beide Töchter mit reinnehme wir zu zwei Dritteln Frau sind.
Der Jetzt-Zustand ist diskriminierend
Danke für nichts. Als wäre der Vater mit Kleinkind noch ein Randphänomen. Die Ausnahme, die man nun mal nicht regeln kann. Wer frühmorgens durch die Stadt schlurft sieht da fast nur müde Papas, die hoffen, dass das Baby sich doch bitte jetzt das hole, was einem selbst verwehrt bleibt: Schlaf.
Als mein Vater Anfang der 80er-Jahre mit meinem Bruder beim Babyschwimmen war, haben ihm die Mütter dort relativ klar deutlich gemacht, was sie davon halten, dass da jetzt ein Mann in ihrem Becken mit herumturnt: nichts.
Diese Zeiten sind gottseidank vorbei. Aber: Wer Gleichberechtigung in Erziehung und Betreuung möchte (was ja die Parteien – Ausnahmen: CSU, AfD – zumindest vorgeben), muss auch den Zugang zu den dafür notwendigen Instrumenten gewährleisten. Ich bin zwar kein Experte, aber aus meiner Sicht ist der Jetzt-Zustand hierzulande diskriminierend.
Übrigens in beide Richtungen. Denn wenn bei oben beschriebener Situation meine Freundin dabei ist, ist natürlich klar, wer die Windel zu wechseln hat. Ich wünsche dann viel Erfolg, sage ein paar aufmunternde Worte und setze meinen Tja-was-willste-machen-Blick auf.
Gegen familienfreundliche Gettos
Und wo wir schon dabei sind, können wir die gesetzlichen Regelungen auch gleich um Restaurants und Geschäfte erweitern (und Freizeitparks und Kinos und so weiter). Wenn festgelegt werden kann, ab welcher Größe ein Lokal Toiletten zur Verfügung stellen muss, wie die Küche auszusehen hat und wann wo geraucht werden darf, dann kann man auch vorschreiben, in welchen Fällen Toiletten für Menschen mit Behinderung und Wickelmöglichkeiten für alle Geschlechter bereitgehalten werden müssen.
Und kommen Sie mir nicht mit: Das muss jede Unternehmerin und jeder Unternehmer doch selbst entscheiden. Schwachsinn! Dann machen die es nicht. Siehe: aktuelle Situation.
Und kommen Sie mir auch nicht mit: Dann geh doch mit deiner Familie nicht dahin, wo es familienunfreundlich ist. Auch Schwachsinn! Inklusion aller kann doch nicht darin bestehen, ein paar familienfreundliche Gettos zu schaffen – und alle Familien zu Ikea oder in Center Parc zu verfrachten. Wir brauchen ein deutsches BABIES-Gesetz. Ich will immer und überall die Ärsche meiner Kinder abwischen!
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