Wetten um nichts: Wenns am Kröpcke schneit
Wenn man nicht aufpasst, werden Wetten aufs Wetter zu verbotenem Glücksspiel. Und das bei diesem Winter. Einer Möbelhausbesitzerin passte das gar nicht.
Diesen und viele andere spannende Texte finden Sie in der sonntaz vom 6./7. April 2013. Am eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz
„Die Teilnahme an einem Gewinnspiel, das lediglich den Abschluss eines Kaufs vorraussetzt und kein zusätzliches Vermögensopfer erfordert, erfolgt unentgeltlich und ist daher kein Glücksspiel“. Sätze so klar, wie sie nur Juristen formulieren können. Aber was bedeuten sie?
Dieser Satz entspringt einem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. März letzten Jahres. Und er bezieht sich auf einen bizarren Rechtsstreit, der in der nächsten Woche noch einmal vor Gericht verhandelt wird, mündlich: Die Betreiberin eines Einrichtungshauses hatte in einer Werbeaktion versprochen, dass Kunden, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums Waren im Wert von mindestens hundert Euro erworben haben, den Kaufpreis rückerstattet bekommen, wenn es zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt am Flughafen Stuttgart regnet. Wie?
Es geht auch präziser: Sollte es an einem festgelegten Stichtag drei Wochen nach Teilnahme zwischen 12 und 13 Uhr am Flughafen Stuttgart amtlich festgestellt mindestens drei Millimeter pro Quadratmeter regen, erhält der Teilnehmer den Kaufpreis in voller Höhe zurückerstattet.
Behördlicherseits wurde der Dame nun illegales Glücksspiel vorgeworfen, was sie nicht auf sich sitzen lassen wollte – sie klagte, und ihr Begehr auf Feststellung, dass diese Werbung nicht als unerlaubtes Glücksspiel verboten sei, wurde durch das VG Stuttgart bestätigt.
Bei Regen umsonst
Bestraft werden müssten natürlich höchstens Kunden, die dermaßen mit der Klemmbürste gepudert sind, dass sie auf solch verschraubte Werbemaßnahmen reagieren: Hui, ich kauf mir eine Kommode und warte danach Daumen drückend auf die amtliche Regenmessung am Flughafen Stuttgart.
Die Einrichtungshausbetreiberin befand sich jedoch mit ihrem Versuch, das Wetter in klingende Münze umzurubeln, auf dem rechten kapitalistischen Weg. Schließlich bewegen Kälte, Hitze und Unwetter seit jeher die Preise von Aktien, Agrarrohstoffen und Energie – was Spekulanten auf den Plan lockt, die auf das Wetter wetten, auch ohne amtliche Messung.
Sind zum Beispiel die Wetterprognosen für die Hauptzuckeranbaugebiete der Welt, Indien und Brasilien, schlecht, dann klettern die Zuckerpreise in die Höhe. Ist der Sommer in Frankreich so heiß, dass die Flüsse austrocknen, müssen unter Umständen Atomkraftwerke abgeschaltet werden – der Strompreis geht in die Höhe. Anleger wiederum, die in die Ölbranche investieren, warten erst mal die Frühjahrsprognose der US-Wetterbehörde ab, weil man erst dann abschätzen kann, wie viele Ölplattformen im Golf von Mexiko hurricanebedingt ausfallen könnten.
Und der britische Hedgefonds Cumulus hat allein im vergangenen Dezember 39 Prozent an Wert gewonnen, weil er richtig getippt hatte, dass das Weihnachtswetter in Deutschland eher mild werden würde. Der Hedgefonds investiert in Energiederivate, das gute Wetter hatte zu einem Einbruch der „Spot-Preise“ über die Weihnachtstage geführt – am Spot-Markt geht es um Öl, Gas und Kohle im kurzfristigen Verkauf.
Auch eine Form von Glückspiel – aber eben auch nicht strafbar.
Bürgerinnen und Bürgern, die im Moment weder beabsichtigen, eine Kommode in einem baden-württembergischen Einrichtungshaus zu kaufen, noch willens sind, in kippelige Wetter-Derivate zu investieren, bleibt hingegen nur die Hoffnung: auf besseres Wetter nämlich. Nach dem – so heißt es – dunkelsten aller je in Deutschland gemessenen Winter, nach dem behaupteten Einbruch einer neuen Eiszeit als Reaktion auf den Klimawandel, von dem sich mancher Zyniker mehr Palmen in Potsdam erhofft hätte, ist der Mensch hierzulande am Rande der Verzweiflung: Sollte nicht eigentlich Schluss sein mit dem Winter?
Der März jedenfalls, er zeigte uns knallhart die kalte Schulter. Und der Mensch stolpert erkältet durch Schlaglöcher, winselt nach Sonnenstrahlen, giert nach Krokussen in Parkanlagen und Vorgärten. Der Spargel bleibt derweil in seinen Sandhügeln gefangen. Die Pollen sind verhindert. Die Zugvögel hängen in Nordafrika fest. Und über die Ostertage erfroren junge Feldhasen am Wegesrand – ihr vom Schneematsch durchnässtes Fell konnte bei den niedrigen Temperaturen kaum trocknen, wie die deutsche Wildtierstiftung berichtete.
Wetten, dass es schöner wird
Dumpf und gepeinigt sprechen – jammern – alle nur noch über das Wetter, die Eurokrise tritt darüber gänzlich in den Hintergrund. Probleme mit dem Süden? Ja, denn er hat die Sonne, wir nicht.
Im Norden wollen Kleider endlich vom Leibe gerissen werden, die Radreifen aufgepumpt und der Außenbereich des Lieblingscafé geöffnet. Rharbarersaftschorle will in der Frühlingssonne britzeln – und so weiter.
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Metereologen sagen, wenn auch vorsichtig und verhalten, eine Wetterbesserung voraus. Schon an diesem Wochenende sollen die Temperaturen steigen. Ganz Mutige hoffen für die nächste Woche auf Temperaturen um die sechzehn Grad – man mag es kaum aussprechen, zu groß ist die Angst vor einer möglichen Enttäuschung.
Aber was wäre, wenn man es jetzt einfach mal mit einem legalen Glücksspiel versuchte? Zum Beispiel so: Wenn Sie bis Samstagabend nicht rabattierte Tiernahrung in einem Baumarkt erwerben, sagen wir im Wert von mindestens zwanzig Euro, und am Montag Morgen am Kröpcke in Hannover kein Neuschnee gefallen ist, der höher ist als einen Zentimeter – dann ist endlich Frühling.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Merz stellt Reform in Aussicht
Zarte Bewegung bei der Schuldenbremse
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“