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Werner-Schulz-PreisKämpferin für politische Gefangene

Die Aktivistin Ina Rumiantseva wird ausgezeichnet für ihren Einsatz für die Zivilgesellschaft in Belarus, ihr Dank gilt Frauen in Straflagern.

Die Ostberlinerin Ina Rumiantseva setzt sich für eine demokratische Entwicklung in Belarus ein Foto: Sebastian Gollnow/dpa

taz | Berlin Es gibt manchmal Begegnungen, die Be­su­che­r*in­nen mit zentnerschwerem Gepäck verlassen – viel Stoff zum Nachdenken, der ei­ne*n nicht loslässt. In diese Kategorie fällt die Gedenkveranstaltung nebst erstmaliger Verleihung des Werner-Schulz-Preises, die in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin und damit an einem nicht eben alltäglichen Ort am Mittwochabend über die Bühne geht.

Benannt ist die Auszeichnung nach dem ehemaligen DDR-Bürgerrechtler sowie späteren grünen Abgeordneten im Bundestag und EU-Parlament, Werner Schulz. Er war am 9. November 2022 völlig unerwartet verstorben und wäre am 22. Januar 75 Jahre alt geworden.

Die Erinnerung an diesen „unbeugsamen Zeitgenossen sowie leidenschaftlichen Revolutionär für Demokratie und Menschenrechte“ wach zu halten, wie der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, Schulz in seinem Grußwort charakterisiert, haben sich ehemalige Weg­ge­fähr­t*in­nen und Freun­d*in­nen von Schulz zur Aufgabe gemacht. Einige haben die Werner-Schulz-Initia­tive gegründet, die den gleichnamigen Preis ausgelobt hat.

Überzeugungstäter im positiven Sinne, wie Schulz einer war, gibt es nicht viele. Doch es gibt sie. Zu ihnen gehört etwa Ina Rumiantseva, die die mit 7.500 Euro dotierte Ehrung am Mittwoch entgegennahm.

Brückenbauerin nach Osteuropa

Die 49-jährige, geboren in Ostberlin und seit jungen Jahren fest in der Bürgerrechtsbewegung verankert, ist Aktivistin und Menschenrechtlerin. Sie versteht sich als Brückenbauerin nach Osteuropa, ihr besonderes Engagement gilt der Unterstützung der Zivilgesellschaft in Belarus und den dort aus politischen Gründen einsitzenden Gefangenen. Auch wöchentliche politische Andachten in der Berliner Gethsemanekirche, bei denen Rumiantseva über Belarus berichtet, sind ein Teil davon. Den Preis widmet sie in ihrer Dankesrede den Frauen in belarussischen Straflagern.

Apropos Belarus: War beziehungsweise ist da etwas? Und ob, doch wer interessiert sich dafür in Zeiten von Kriegen, Krisen und Katastrophen? Dabei wären Interesse und Empathie gerade auch im Falle von Belarus so wichtig – einem Land mitten in Europa, das Russland fest im Griff hat. Am kommenden Sonntag wird sich der belarussische autokratische Langzeitherrscher Alexander Lukaschenko bei Scheinwahlen im Amt bestätigen lassen. Massenproteste wie 2020 dürften ausbleiben, Kri­ti­ke­r*in­nen sitzen in Haft oder, wider Willen, im Exil.

Der Osteuropahistoriker Karl Schlögel zeichnet in seiner Laudatio im Schnelldurchlauf tragische Episoden der belarussischen Geschichte nach. Das Land sei für viele immer noch Terra incognita. Man habe noch einmal in die Schule gehen müssen. Klassenziel erreicht? Fraglich.

Und die belarussische Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin von 2015, Swetlana Alexijewitsch, sagt: „Belarus war ein Tschernobyl-Labor. Jetzt ist es Labor eines moderne Gulags. Selbst uns, die wir von dort kommen, fällt es schwer, das zu begreifen. Wie viel schwerer muss das für die Menschen hier sein?

Die Veranstaltung beschließt eine Podiumsdiskussion über Deutschlands Verantwortung für Europas Freiheit. Die polnische Soziologie und Journalistin Karolina Wigura weist dabei darauf hin, dass die osteuropäischen Länder unterschiedlich tickten. Es gelte, aus gescheiterten Strategien zu lernen. Auch Belarus werde frei sein. Dann ruft sie dazu auf, nicht an der EU zu zweifeln.

Zugegeben: Angesichts von Rechtsruck, erbitterter Verteilungskämpfe sowie ­einer schwindenden Unterstützung für die vom Krieg verheerte Ukraine fällt das nicht leicht. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

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