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Werner Herzog im FilmporträtTräumereien eines Selbstbewussten

Arbeit am Mythos: Thomas von Steinaecker begleitet in seinem Dokumentarfilm „Werner Herzog – Radical Dreamer“ den Regisseur durch Leben und Werk.

Gibt im Film eine Art Best-of von Herzog-­Anekdoten preis: Werner Herzog selbst Foto: Real Fiction

„Nach einer wahren Begebenheit“ heißt es am Anfang von Thomas von Steinaeckers Dokumentarfilm „Werner Herzog – Radical Dreamer“, ein Satz, den man mehr von Spielfilmen kennt. Ein Dokumentarfilm ist schließlich grundsätzlich wahr, sollte man meinen, eine Betrachtungsweise, die schon immer schwierig war, aber erst recht, wenn es um Dokumentarfilme von Werner Herzog geht.

Nicht umsonst ist einer der bekanntesten Gedanken des inzwischen 80-jährigen Regisseurs der von der sogenannten „ekstatischen Wahrheit“, womit Herzog eine Wahrheit meint, die nicht unbedingt faktisch wahr ist, aber wahrhaftig.

Ob ein junger Regisseur in Zeiten zunehmenden Misstrauens in die Medien und fortwährenden Diskussionen um „Fake News“ oder „alternative Fakten“ mit dem Bekenntnis durchkommen würde, Teile seiner Dokumentarfilme zu fälschen? Werner Herzog muss sich jedenfalls keine großen Sorgen mehr machen, dass seine Methoden hinterfragt werden, und selbst wenn, dürfte es ihm angesichts seines gern zur Schau gestellten Selbstbewusstseins herzlich egal sein.

Denn zum einen nimmt Herzog längst den Status eines Säulenheiligen ein, der nicht nur an die guten alten Zeiten erinnert und erhebliche Narrenfreiheit besitzt, zum anderen hat er ein enormes Ego, dass letztlich auch eine der Grundlagen seiner Weltkarriere war.

Der Film

„Werner Herzog – Radical Dreamer“. Regie. Thomas von Steinaecker. Deutschland/USA 2022, 102 Min.

Beide verbindet das Aufwachsen in Bayern

Die nahm nach dem Zweiten Weltkrieg im ländlichen Bayern seinen Anfang, wo Herzog mit Mutter und Brüdern in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs. Ebenfalls aus Bayern stammt Thomas von Steinaecker, der als Schriftsteller und Autor von Hörspielen arbeitet, aber auch kürzere Dokumentationen fürs Fernsehen gedreht hat.

Nun ist ihm also der Coup gelungen, Werner Herzog von der Idee für einen Porträtfilm zu überzeugen. Er konnte den Regisseur in dessen Wahlheimat Los Angeles interviewen, filmte ihn bei Kursen seiner Filmhochschule auf Lanzarote und traf ihn in der gemeinsamen bayerischen Heimat.

Dort zeigt Herzog von Stein­aecker einen kleinen Wasserfall tief im Wald und sagt versonnen: „Das ist meine Seelenlandschaft.“ Da Herzog immer wieder betont, dass er keinerlei Gespür für Ironie hat, darf man also annehmen, dass es Herzog mit dieser Aussage ernst ist. Was auch von Steinaecker tut, der ehrfurchtsvoll den Erzählungen und Anekdoten des Meisters lauscht, von kritischer Nachfrage absieht und sich für die Herzog’sche Selbstdarstellung einspannen lässt.

Ganz verdenken kann man von Steinaecker diese Haltung nicht, schließlich hat Herzog nicht nur in seinen eigenen Filmen, sondern auch bei öffentlichen Auftritten immer wieder gezeigt, was für ein origineller, ikonoklastischer Redner er ist, der inzwischen jedoch zunehmend zur eigenen Parodie zu werden droht.

Status im US-amerikanischen Filmbusiness

Und so gibt Herzog in den fast zwei Stunden von „Werner Herzog – Radical Dreamer“ auch eine Art Best-of von Herzog-Anekdoten preis, von Überlegungen zur schon erwähnten ekstatischen Wahrheit, über die zentrale Arbeitsbeziehung seines Lebens, die zu seinem liebsten Feind Klaus Kinski, bis zu seinem Status in den USA, wo Herzog längst eine Marke geworden ist und unter anderem bei den „Simpsons“ auftrat.

Wie sehr Herzog im US-amerikanischen Filmgeschäft geschätzt wird, zeigen Aussagen von Interviews mit Schau­spie­le­r*in­nen wie Nicole Kidman und Robert Pattinson oder der Regisseurin Chloé Zhao, die allerdings nicht mehr sind als lobende Plattitüden.

Interessanter da schon der alte Weggefährte und Freund Wim Wenders, der sagt: „Nichts ist untypisch für Werner Herzog. Nur das Untypische ist typisch für ihn.“ Ein schöner Satz, der allerdings am Ende auch wenig über den Mensch und Künstler Werner Herzog aussagt, was insofern in gewisser Weise emblematisch für Thomas von Steinaeckers Film erscheint.

Vieles wird angerissen, in meist chronologischer Erzählweise Leben und Karriere Werner Herzogs nacherzählt, Ausschnitte aus einigen seiner über 70 Spiel- und Dokumentarfilme sind zu sehen, in etwas sprunghafter Auswahl. Eine Haltung zu Herzogs Werk und vor allem seinen Arbeitsmethoden zu entwickeln, gelingt von Steinaecker nicht, dem Menschen Werner Herzog nahezukommen, zumindest in Momenten.

Nicht der ehrlichste Film über Herzog

Aber vielleicht ist das bei einer so öffentlichen Person wie Herzog auch kaum noch möglich. Zu sehr ist das Bild Werner Herzogs von einer seit Jahrzehnten betriebenen Legendenbildung geprägt, ist die Realität überschattet von Mythen und Legenden, die Herzog selbst in die Welt gesetzt hat und die nun von Jüngern wie Thomas von Steinaecker einmal mehr wiederholt werden.

Unterhaltsam anzusehen ist das jederzeit, an den vermutlich ehrlichsten Film über Werner Herzog kommt es allerdings nicht heran: Den hat der Regisseur einst selbst gedreht, mit seinem Film über Klaus Kinski. Dass der „Mein liebster Feind“ hieß, deutete schon im Titel an, worauf der Fokus eigentlich lag: vordergründig auf Klaus Kinski, in Wirklichkeit jedoch auf Herzog selbst.

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