Werkstätten für Menschen mit Behinderung: Ableismus am Arbeitsplatz
Auf Twitter trendet der Hashtag #IhrBeutetUnsAus. Menschen mit Behinderung üben Kritik an Werkstätten.

In Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention wird das gleiche Recht auf Arbeit für Menschen mit Behinderung festgeschrieben. Dies beinhaltet auch das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen. In vielen Werkstätten für Menschen mit Behinderung ist dies jedoch nicht gewährleistet. Betroffene berichten via Twitter von Löhnen in Höhe von nur 1,35 Euro pro Stunde. User:in @peacockaffair schrieb beispielsweise, dass er:sie zwei Jahre lang 40 Stunden pro Woche Logo- und Namensschilder produziert hatte und dafür einen Lohn von lediglich 10 Euro im Monat bekam.
Rechtlich ist die Unterschreitung der Mindestlohngrenze möglich, da viele arbeitsrechtliche Schutznormen für Menschen, die in Werkstätten arbeiten, nicht gelten. Sie werden rechtlich nicht als Arbeitnehmer:innen angesehen. Dies soll unter anderem einen erweiterten Kündigungsschutz gewährleisten, ermöglicht auf der anderen Seite aber eine enorme Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns.
Demeter, dm, Airbus und fritzkola – das sind nur einige Unternehmen, die derzeit in der Kritik stehen, die Arbeitskraft von Menschen mit Behinderung auszunutzen. Der Getränkehersteller Fritzkola antwortete in einem Tweet auf die Anschuldigungen und rechtfertigte die Ungleichbezahlung etwa damit, dass die Werkstätten weiterführende Leistungen wie die Förderung von Persönlichkeitsentwicklung und Integration erbrächten. Außerdem würden Menschen mit Behinderung staatliche Hilfen zum Lebensunterhalt erhalten und seien deswegen nicht auf den Lohn angewiesen.
Auch die kirchlichen Träger Diakonie, Caritas und Bethel wurden in den sozialen Medien adressiert. Angesprochen auf die Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderung antworten diese oft nur, dass die Betroffenen doch glücklich in den Werkstätten seien, heißt es auf der Plattform. Die Europaabgeordnete der Grünen, Katrin Langensiepen, forderte einen Mindestlohn und ein Streikrecht für in Werkstätten arbeitende Menschen. Sie verwies auf die Haltung der EU-Kommission und des EU-Parlaments, die die Finanzierung solcher Projekte auslaufen lassen wollen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
FDP-Chef Lindner verabschiedet sich aus der Politik
Sauerland als Wahlwerbung
Seine Heimat
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen