Werbeverbote für Junkfood: Das wurde auch Zeit
Ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel ist ein effizientes Mittel, um Kinder zu schützen. Mit Bevormundung hat das nichts zu tun.
W enn Ernährungsminister Cem Özdemir sein Verbot von an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel durchsetzt, wäre das ein großer Fortschritt. Der Koalitionspartner FDP sollte die Blockade gegen die Pläne des Grünen-Politikers schleunigst aufgeben. Denn Junkfood mit zu viel Salz, Fett oder Zucker trägt dazu bei, dass viele Menschen zu dick sind. Kinder und Jugendliche verzehren etwa doppelt so viele Süßwaren wie empfohlen. Laut Robert Koch Institut sind 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen übergewichtig. Durch falsche Ernährung mitbedingte Krankheiten wie Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes oder Herzinfarkt nehmen zu.
Studien zeigen, dass Kinder, die Werbung für Lebensmittel sehen, tatsächlich mehr Kalorien zu sich nehmen. Wissenschaftlern zufolge wurden bei diesen Untersuchungen andere Faktoren wie das soziale Umfeld herausgerechnet. Verantwortlich waren eben nicht nur die Eltern, sondern auch die Werbung. Es ist auch logisch: Wenn Kindermarketing nicht funktionieren würde, gäben die Konzerne auch nicht so viel Geld dafür aus.
Kinder sind eine leichte Beute für sie, sind sie doch leichter beeinflussbar als Erwachsene: Bis zum Alter von 4 Jahren können sie noch gar nicht zwischen Werbung und dem normalen Fernsehprogramm unterscheiden. Dass sie trotzdem durch Werbung manipuliert werden dürfen, ist ein Skandal.
Werbeverbote sind auch nicht ein unzulässiger Eingriff des Staates in die Freiheit der BürgerInnen. Keinesfalls will Özdemir irgendwem verbieten, irgendetwas zu essen. Kein Bürger wird entmündigt, wie die FDP suggeriert. Werbeeinschränkungen sind ein etabliertes Mittel in vielen Demokratien. Auch in Deutschland, wo bereits seit 1975 Werbespots für Zigaretten und andere Tabakerzeugnisse in Radio und Fernsehen untersagt sind. Alkoholwerbung darf sich schon lange nicht an Kinder und Jugendliche wenden. Und dennoch würde niemand außer den Profiteuren des Geschäfts mit Tabak und Alkohol auf die Idee kommen, der Staat wolle die Menschen bevormunden.
Keine willkürlichen Kriterien
Die Definition von ungesunden Nahrungsmitteln ist auch nicht willkürlich. Vielmehr orientiert sie sich an den Nährwertprofilen der Weltgesundheitsorganisation, die für 17 Kategorien wie Frühstückscerealien oder Süßigkeiten Grenzwerte festgelegt hat.
Die Lebensmittelindustrie wendet nun ein, statt Werbung für bestimmte Lebensmittel zu verbieten, sollten die Menschen lieber dazu angehalten werden, sich mehr zu bewegen. Für mehr Fitness zu werben ist sicherlich richtig. Aber das schließt ja nicht aus, auch durch ein Werbeverbot eine bessere Ernährung zu fördern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann