Werben für Schwangerschaftsabbruch: Worauf wartet ihr noch?
Nach dem Urteil gegen eine Ärztin ist eine Mehrheit im Bundestag gegen Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs. Ihn abzuschaffen wäre jetzt möglich.
Ein aktueller Anlass hat dafür gesorgt, dass inzwischen gleich zwei Gesetzentwürfe das Aus dieses Paragrafen fordern: Am vergangenen Freitag wurde die Ärztin Kristina Hänel vor dem Gießener Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt, weil im Leistungsspektrum auf ihrer Webseite das Wort „Schwangerschaftsabbruch“ steht. Die Linksfraktion hatte ihren Entwurf bereits vor dem Prozess vorgelegt, nun kündigte auch die SPD-Abgeordnete Eva Högl einen entsprechenden Vorstoß an.
Sie verstehe das Urteil als Auftrag an die Politik, sagte auch die Grünen-Abgeordnete Ulle Schauws, die zum Prozess nach Gießen gefahren war, der taz: „Die Politik muss hier für gesetzliche Klarheit sorgen.“ Auch die FDP-Fraktion erklärte, der Paragraf sei „nicht mehr zeitgemäß und sollte geändert werden“.
Könnten SPD, Grüne, Linke und FDP sich also auf eine gemeinsame Forderung einigen und käme ein solcher Gesetzentwurf vor der Bildung einer neuen Regierung zur Abstimmung, wäre eine Mehrheit durchaus machbar; denn keine Fraktion wäre qua Koalition an die Union gebunden. Ein gemeinsames Abstimmen könnte also im besten Fall 369 Ja-Stimmen auf sich vereinen – gegen 338 von Union und AfD. Man sei zugunsten eines interfraktionellen Gesetzentwurfes bereit, den eigenen zurückzuziehen, sagte die Linkenpolitikerin Cornelia Möhring der taz. „Uns geht es nicht um die Lorbeeren, sondern darum, dass der Paragraf wegkommt.“
Und selbst in der Union könnte die Haltung differenzierter ausfallen, als das Thema erwarten lässt. So hält Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, ein Werbeverbot zwar generell für richtig; man könne „aber sicherlich darüber streiten, ob schon die sachliche Information auf der Homepage eines Arztes den Tatbestand erfüllt“.
Klar ist: Das Thema ist längst über feministische Kreise hinausgewachsen. Am Tag nach dem Prozess forderten etwa die Delegierten der Landesärztekammer Hessen den Gesetzgeber ohne Gegenstimme auf, den Paragrafen 219a „so zu überarbeiten, dass eine sachgerechte Information nicht mehr unter Strafe gestellt wird“. Der Deutsche Ärztinnenbund fordert gemeinsam mit dem Deutschen Juristinnenbund die Abschaffung des Straftatbestandes.
Fehlt also nur noch der politische Mut. Wie der aussehen könnte? Zwölf Wochen ab jetzt – weg mit Paragraf 219a StGB bis zum 11. Februar 2018.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben