Wenn Pärchen nerven: Ich und meine Spinatpizza
Parship ist nicht unbedingt für gute Werbung bekannt. Warum ärgert es trotzdem, wenn Singles niedergemacht werden?
N eulich auf dem Weg ins Büro saß ich gedankenverloren in der Tram und hörte so eine Spotify Classic Work Focus Playlist, um mich schon mal auf den Arbeitstag einzustimmen und mich gleichzeitig extrem erwachsen zu fühlen; und weil ich mir ehrlicherweise langsam eingestehen muss, dass es einen weniger traumatischen Start in den Tag bedeutet als die Hardcore Beast Mode Playlist, die ich wochenlang zuvor jeden Tag gepumpt hatte.
Ich habe mich schon selbst durchschaut: Da ich keinen Sport mache, kompensiere ich das mit krass aggressiven Workout-Playlists, die meinen Puls und Bluthochdruck so sehr in Wallung bringen, wie das sonst nur eine Stunde Cardio oder Hiit zustande bringt. Ihr merkt, ich hab absolut keine Ahnung, wovon ich spreche. Ich hatte mich also gegen Beastmode-Puls und für Classic-Chill entschieden und schaute aus dem Fenster und kam mir vor wie eine Heldin in einer Rom-Com. So weit also ein ganz normaler Dienstagmorgen. Plötzlich wurde ich von einer Parship-Werbung aus meinen „Emily-in-Paris-nur-in-besser-Tagträumen“ herausgerissen:
„Single ist Tütensuppe.
Liebe ist Candle-Light-Dinner.“
Auf rotem Grund prangte dieses „gut und günstig“-Haiku vor: groß, weiß und anklagend. Gut, Parship ist jetzt nicht für extrem gute Werbung bekannt. Die 11-Minuten-Kampagne eben derselben Firma hat uns – wenn wir ehrlich sind – bis auf cringe Boomer Memes auf FB („Hab nun Parship Profile für all meine Socken erstellt, die als Single aus der Waschmaschine kamen. Bin gespannt.“) nicht viel gegeben.
Pärchen gehen in die Pilze
Warum muss man uns Singles, unsere Tütensuppen, Fertigpizzen und Tinder Dates so aufs Korn nehmen? Klar, es ist spannend(er), Menschen in zwei Lager zu spalten. Auf der einen Seite: die glücklich vergebenen, die Candle-Light-Dinner machen und in Brandenburg Pilze sammeln. Und auf der anderen Seite: Wir, die mit unseren Pflanzen und Staubsaugerrobotern sprechen und Fertiggerichte zu uns nehmen und sonst weitestgehend alle in Ruhe lassen. Ich weiß schon, wer mir sympathischer ist.
Oh nein, jetzt mache ich das auch. Spalten. Aber Spalten macht auch Spaß, und irgendwie hat doch auch diese Werbung angefangen. Warum braucht es denn diese Gegenüberstellung, um das andere schmackhaft zu machen? Wer Bock auf Candle-Light-Dinner hat, hat auch so Bock auf Candle-Light-Dinner. Dafür braucht es diesen Tütensuppen-Kontrast nicht, um sich besser zu fühlen. Oder doch?
Ich musste mir eingestehen, dass ich das auch oft mache. Mich mit anderen vergleichen und mir ständig den Stress einer Beziehung als Gegenprogramm zum entspannten und selbstbestimmten Single-Dasein vor Augen zu führen. Aber fühle ich mich besser? Schmeckt meine Spinat-Tiefkühlpizza wirklich besser, weil ich sie nachts um vier Uhr esse, wohl wissend, dass ich morgen früh ausschlafen kann und mit niemandem spazieren gehen muss? Die Antwort ist Ja.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben