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Weniger Unterricht bei ÄlterenLehrer sollen die Griffel fallen lassen

Ältere Lehrkräfte sollen zwei Stunden pro Woche weniger unterrichten müssen, findet die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft. Kein Streik, aber Protestaktionen geplant.

Etwas mehr als eine Demo soll es dieses Mal schon sein - ein Streik aber nicht. Bild: ap, Franka Bruns

Noch ist es reine Absichtserklärung: Ende März, Anfang April soll Berlins Lehrerschaft in den Ausstand treten. Für das, was geplant ist, ist Streik allerdings ein zu großes Wort. Regelverletzung treffe es besser, sagt ein Sprecher der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), die zu der Aktion aufruft. Das Ziel: Ältere Lehrerinnen und Lehrer sollen bis zu zwei Unterrichtsstunden pro Woche weniger unterrichten müssen.

Berlin sei das einzige Bundesland, in dem es für Lehrer keine Altersentlastung bei vollem Lohnausgleich gebe, begründet GEW-Sprecher Peter Sinram das Vorhaben. Früher gab es das. Die Regelung wurde aber vor acht Jahren abgeschafft. Auch die Möglichkeit, in Altersteilzeit zu gehen, wurde für Beamte unterdessen reduziert. Die Folgen würden nun deutlich: Etwa an dem immens hohen Krankenstand, ist Sinram überzeugt. Berlin hat 27.000 Lehrerinnen und Lehrer. 1.400 seien auf Dauer erkrankt: "Die Leute sind fertig", so der GEW-Sprecher.

"Lehrer sind nicht streikberechtigt", betont die Sprecherin von Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD), Beate Stoffers. In der GEW sieht man das anders. Um sich nicht angreifbar zu machen, ruft die Gewerkschaft aber nicht zum Streik, sondern zu Regelverletzungen auf. Deren Motto: "Es ist fünf vor zwölf". An einem Tag, der noch bestimmt wird, soll das Ganze so ablaufen: Die Lehrerschaft lässt um fünf vor zwölf - also mitten im Unterricht - den Griffel fallen und kommt zu einer zentralen Protestveranstaltung zusammen.

Bei einer GEW-Mitgliederbefragung hätten sich über 90 Prozent der an der Umfrage Beteiligten für diese Protestaktion ausgesprochen, sagt GEW-Sprecher Sinram. Geplant sei ein Zweistufenmodell: eine einmalige kurze Unterrichtsunterbrechung in den Mittagsstunden und - wenn diese nichts fruchtet - ein ganztägiger Ausstand. Man rechne damit, dass sich mindestens 2.000 Lehrkräfte an der Aktion beteiligen: "Nach oben ist der Zahl keine Grenze gesetzt."

Weil die Eltern informiert und Notfallunterrichtspläne erstellt werden müssen, sei die Aktion aber erst für Ende März, Anfang April geplant. Früher sei es so gewesen, dass Lehrer ab dem 55. Lebensjahr eine Stunde weniger pro Woche unterrichten mussten, ab 60 zwei Stunden weniger. Heutzutage sei Altersteilzeit nur unter Inkaufnahme großer Gehaltseinbußen möglich, sagt Sinram: "Das kann nicht angehen."

Der Vorsitzende des Landeselternausschusses (LEA), Günter Peiritsch, signalisiert Unterstützung für die Lehrer. "Ich kann die Forderung nachvollziehen", sagte Peiritsch am Freitag. Aber das sei seine persönliche Meinung. Der LEA habe sich mit der geplanten Aktion noch nicht befasst.

Anders die Senatsschulverwaltung: Die Rahmenbedingungen seien nicht so, dass es Spielräume für eine Unterrichtsermäßigung aus Altersgründen gebe, sagt Zöllners Sprecherin Beate Stoffers. Sie verweist darauf, dass alle SekundarschullehrerInnen eine Stunde weniger unterrichten müssen, seit Haupt- und Realschulen im Sommer 2010 zu der neuen Schulform fusionierten.

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1 Kommentar

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  • W
    wegen

    Wenn die Senatsschulverwaltung meint "die Rahmenbedingungen seien nicht so, dass es Spielräume für eine Unterrichtsermäßigung aus Altersgründen gebe" ist sie genauso weltfremd wie damals die DDR-Führung. Denn dann merkt sie wohl gar nicht, dass diese "Unterrichtsermäßigung" schon längst Realität ist - allerdings unfreiwillig und völlig planlos in Form von zahllosen ausfallenden Stunden - viele davon ersatzlos als "Freistunden". Bei meinem Sohn vergeht keine Woche in der er nicht ein paar Stunden "frei" hat. Wann seine Klasse den Rückstand jemals wieder aufholen soll scheint niemanden zu interessieren. Und die Schüler, die inzwischen nach der 4. aufs Gymnasium gewechselt sind haben angeblich wegen des aufgelaufenen Rückstands massive Schwierigkeiten. Aber Hauptsache, für den Senat läuft weiter alles nach Plan.