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Weniger Millionäre in DeutschlandDie armen Reichen

Auch unter Reichen konzentriert sich das Geld immer mehr – bei den Superreichen. Hier sollte eine kluge Umverteilungspolitik ansetzen.

Auf die Frage, was er mit einer Million machen würde, sagte Moderator Günther Jauch mal: „Zu den anderen legen“ Foto: Frank W. Hempel/United Archives/action press

Das ist wirklich mal ein Problem von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Es gibt in Deutschland deutlich weniger Millionär:innen. Im vergangenen Jahr ist ihre Zahl um 41.000 gesunken – das waren 2,5 Prozent weniger als im Vorjahr. Das geht aus dem World Wealth Report 2025 hervor, den das Capgemini Research Institute am Mittwoch veröffentlicht hat.

Ganz anders sieht es global aus. Da ist die Zahl der Mil­lio­nä­r:in­nen um 2,6 Prozent gestiegen. Und die Zahl der superreichen Mul­ti­mi­lio­nä­r:in­nen stieg weltweit sogar um mehr als 6 Prozent. Droht den Reichen in Germany also der Absturz in die Armut? Und wie passt das zu den von Rekord zu Rekord kletternden Aktienkursen?

Eine genauere Betrachtung der Zahlen führt zu durchaus überraschend erscheinenden Ergebnissen – und zum Ansatz für eine Umverteilungspolitik, die selbst die scheinbar gut Betuchten befürworten könnten. Denn Millionäre sind heutzutage auch nur noch etwas reichere arme Schlucker.

Glücksspielanbieter haben das längst durchschaut. Mit dem Millionärsversprechen locken sie niemanden mehr zum Zocken. Um die Massen kirre zu machen und in die Irre zu leiten, müssen schon 100 Millionen im Jackpot liegen. Denn mit der „Million“, die vielen bis heute als Benchmark für den irreversiblen Ausbruch aus allen Existenzsorgen gilt, kommt man nicht mehr weit.

Eine Million für eine Wohnung

Wer sich zum Beispiel in Städten wie Berlin, München oder Hamburg eine familiengerechte Wohnung zulegen will, um sich der Vertreibung durch Spekulation zu erwehren, muss dafür schnell mal eine Million auf den Tisch legen. Das Geld ist zwar nicht weg, aber nicht mehr frei verfügbar fürs fröhlich Geld vermehrende Spekulantentum auf Kosten anderer. Und deshalb zählt es für die Statistiken von Capgemini nicht mehr. Wer dort als HNWI, als High-Net-Worth-Individual, also als vermögende Privatperson, gezählt werden will, muss schon eine Million Dollar flüssig haben.

Die Normalmil­lio­nä­r:in­nen sind zum potenziellen Partner der Solidarität geworden

Für die breite Masse der Normal­verdiene­r:innen, die nicht mal davon träumen dürften, auch nur in die Nähe eines siebenstelligen Finanzvermögens zu kommen, selbst wenn sie so viel schuften würden, wie Bundeskanzler Friedrich Merz das gerne hätte, mag das zynisch erscheinen. Aber selbst die Normalmil­lio­nä­r:in­nen sind mittlerweile zum potenziellen Partner der Solidarität geworden – zumindest die, die Be­ra­te­r:in­nen vom Capgemini als „Millionaires Next Door“ einstufen, weil sie nicht mehr als 5 Millionen auf der Kante haben.

Denn nur deren Zahl ist im vergangenen Jahr verantwortlich gewesen für den Rückgang der Mil­lio­nä­r:in­nen in Deutschland. Capgemini nennt als Hauptgrund dafür die wirtschaftliche Stagnation in den größten Ländern Europas.

Trotz dieser Stagnation ist das Gesamtvermögen der Reichen aber noch gestiegen. Anders gesagt: auch unter den Extremkapitalbesitzern konzentriert sich das Geld immer mehr auf die wenigen ganz, ganz oben. Den Nor­mal­mil­lio­nä­r:in­nen geht die Puste aus, und die Superreichen werden noch superreicher.

Die Analysten von Capgemini nennen sie die „Ultra-High-Net-Worth Individuals“. Die Zahl dieser Ultras mit jeweils mehr als 30 Millionen Dollar auf der Kante ist europaweit im letzten Jahr um 3,5 Prozent gestiegen, ihr Gesamtvermögen aber gleich um mehr als 6 Prozent.

Der Sack Reis füllt sich

Die Dimensionen, in denen sich diese Ultras bewegen, hat die Entwicklungsorganisation Oxfam kürzlich in einem Video sehr anschaulich gemacht – anhand von Reiskörnern. Wenn ein Korn einem Vermögen von 100.000 Euro entspricht, kommt ein Millionär auf 10 Reiskörner. Ein Ultra käme auf mindestens 300. Ein Milliardär sogar auf 10.000!

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Oxfams Erklärvideo zu Millionen und Milliarden
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Damit ist klar: Die Grenze zwischen Arm und Reich verläuft nicht zwischen Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r:in und Topverdiener:in, sondern zwischen Mil­lio­nä­r:in und Mul­ti­mil­lio­nä­r:in – zumindest für eine Umverteilungspolitik, die eben nicht den Normalmillionären Angst um ihr Erspartes macht, sondern dort ansetzt, wo das Geld sich wie in prall gefüllten Reissäcken staut: bei den wirklich Reichen – mit der überfälligen Milliardärssteuer.

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9 Kommentare

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  • Ein Haus kann man natürlich auch einmal erben. Sollte das Haus dann zufälligerweise in München stehen, ist man als Alleinerbe bereits bei einem Vermögen von ca. 1,5 Millionen Euro.



    Schwieriger ist es, selbst eine Million Euro anzusparen, aber es geht. Dazu muss man 40 Jahre lang mindestens 500€ bei einer Durchschnittsrendite von ca. 6,5% anlegen. Mit ETFs auf Dow Jones 30, S&P 500 oder Nasdaq 100 ist das zu schaffen. Die andere Strategie wäre, mit Immobilieninvestitionen zu arbeiten, aber Immobilien machen etwas mehr Mühe und sind u. U. riskanter als ein breit gestreutes Wertpapierportfolio.



    In jedem Fall kann man auch als Angestellter mit einigermaßen gutem Gehalt und eisernem Sparwillen auf ein Vermögen von 2-4 Millionen kommen (für 4 Millionen müsste man 40 Jahre lang monatlich ca. 2000 Euro zurücklegen), bevor die Rente beginnt. Für Vermögen, die darüber liegen, muss man i. d. R. andere für sich arbeiten lassen, also ein Unternehmen besitzen.

    • @Aurego:

      Wenn alle nur noch sparen fällt der Konsum flach. Der Kapitalismus bricht mangels Kunden zusammen und damit geht auch das angelegte Vermögen flöten. Wenn keiner mehr Geld ausgibt funktioniert die Wirtschaft nicht mehr und Arbeitsplätze und Einkommen gehen verloren.

      • @Andreas J:

        Richtig! Genau deshalb muss man das Geld bevorzugt denen geben, die es mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeben, also Grundsicherungsempfängern, Mindestlohnbeziehern, Rentnern, jungen Eltern ... Habe ich jemanden vergessen?

  • Wer sich für 1 Mio in München eine Wohnung kauft tut das ja in der Regel fremdfinanziert und zahlt Schulden über Jahrzehnte ab; Zinsen an die Bank statt Kaltmiete. Damit ist man kein "high net worth individual" -- weil "net" halt abzüglich Schulden bedeutet, und nicht weil das Vermögen nicht flüssig wäre. Elon Musk hat auch keine 400Mrd in kleinen Scheinen zu Hause rumliegen, das ist alles in Aktien gebunden.

    Was auch der Grund ist für das Vermögenswachstum der Superreichen: die enormen Preisanstiege an den Aktienmärkten der letzten Jahre. Damit ist das nur ein scheinbarer Reichtum; würde Musk seine Aktien zu Geld machen um zu konsumieren, würde der Kurs extrem einbrechen und ein viel geringerer Wert herauskommen. Sein rechnerischer net worth ist vielleicht 1.000.000-mal höher als der des Durchschnittsdeutschen, aber deshalb isst er auch nicht mehr, lebt nicht länger und arbeitet sogar mehr.



    Ab einer gewissen Höhe bedeutet Vermögen nicht mehr aufgesparter Konsum, sondern misst nur noch Macht; die Kontrolle über Unternehmen, ausgedrückt in momentanen Börsenwerten von Beteiligungen, die sich aber nicht in Konsumgüter umsetzen lassen.

    • @Descartes:

      Nun hat aber die Hälfte der Leute nicht einmal einen "scheinbaren Reichtum". Wenn Elon Musk Aktien verkauft, wird aber aus dem scheinbaren ein echter Reichtum. Diese Möglichkeit haben die meisten nicht. Was machen wir jetzt?

  • Solange nicht verstanden wird, dass Millionäre nicht zwingend Mio €/$/£ auf der Bank rumliegen haben sondern in aller Regel promille oder % -Werte an Firmen halten und diese Firmen einen Firmenwert haben, der schwankt, kommen wir einer Lösung der Betrachtung nicht näher. Schwankende Firmenwerte haben doch mit plötzlich reich vs. plötzlich ärmer nix, also "Umverteilung" zu tun.



    Lösung: Firmenanteile anders verteilen. Per Aktienrente, Mitarbeiteroptionen, Gehaltsumwandlung, ....



    Dito Immobesitz: Leute fördern für Wohneigentum.

    • @Tom Farmer:

      Aber mal ehrlich: Multimillionären fällt es relativ leicht, in ein Autohaus ihres Vertrauens zu gehen und sich einen neuen Ferrari zu kaufen, wenn sie das wollen. Gerade Vermögen, das in Form von Aktien auf einem Depot liegt, lässt sich innerhalb von Tagen in Geld verwandeln.

      Bei der Stärkung der Mitarbeiterbeteiligung an den Gewinnen (vertrat eine ähnliche Idee nicht schon Karl Marx?) muss im Vordergrund stehen, dass die Produkte ja nicht hauptsächlich durch die Eigentümer der Produktionsmittel geschaffen werden, denen daher auch nicht der volle Gewinn zuzurechnen ist. Diese Aspekte werden in einer durch Automatisierung und Digitalisierung immer menschenleereren Produktionsumgebung zunehmend wichtig.

  • Interessant, aber mein Mitleid hält sich in Grenzen. Millionäre als potenzielle Partner der Solidarität ist ganz großer Blödsinn und geht voll an der Realität vorbei. Die tun sich höchstens selbst leid, aber nicht die große Masse jener die von einer Million nur träumen können.

    • @Andreas J:

      Eine Million ist bei entsprechender Disziplin noch nicht das Problem, wie ich weiter oben gezeigt habe. Ab der zweiten Million wird es schwierig.

      Das Dilemma wird sich nur durch ein Umdenken in der Besteuerung von Kapital und Kapitalerträgen auflösen lassen und auch dann wird es Ausweichstrategien geben.