Weltweite Klimaproteste: „Schlimmer als Hausaufgaben“

Von Bangkok bis Wien, am Nord- und am Südpol: Auf der ganzen Welt wird für eine bessere Klimapolitik demonstriert.

Demonstrantin mit grüner Tränenschminke

Klimaaktivistin in Rom Foto: Antonio Masiello/getty images

Mehr Kameras als Demonstranten

„Klimawandel ist schlimmer als Hausaufgaben.“ „Die Planet wird heißer als ich.“ Und: „Ihr sterbt an Altersschwäche. Ich durch den Klimawandel.“ Die Jungs von der privaten alternativen Roong Aroon Schule lassen bei der Fridays-For-Future-Aktion in Bangkok ihrem Zorn über den Klimawandel und die Untätigkeit der älteren Generation freien Lauf. Die Zahl der FFF-Demonstranten am Denkmal für König Rama VI. am Eingang zum Lumpini Park ist mit rund 80 meist jungen Leuten überschaubar – und geht fast im Heer der Kameras und Journalisten thailändischer und internationaler Medien unter.

Bangkok ist an diesem Freitag einer von etwa 3.000 Orten auf der ganzen Welt, in denen für mehr Klimaschutz demonstriert wird. Die Proteste sind offenbar nicht ganz so groß wie beim letzten Weltklimastreik am 20. September, als Millionen auf allen Kontinenten auf die Straßen gingen – aber immer noch gewaltig.

Mit 12 Jahren ist Khun Prin, abgesehen von ein paar Kleinkindern westlicher Expats, wohl der jüngste Demonstrant in Bangkok. Seine auf ein Stück brauner Pappe geschriebene Botschaft: „Zerstört nicht die Welt.“ Mit der Weltrettung könne jeder zu Hause anfangen, betont Khun Prin und findet, seine Landsleute sollten endlich weniger Plastik benutzen. Harald Bach, Bangkok

Flughafen Schwechat nicht vergrößern

In Wien begannen die Proteste bereits am Donnerstag Mittag am Ballhausplatz, wo Studierende vor dem Bundeskanzleramt aus Berichten des Weltklimarates vorlasen. Trotz Dauernieselregens hielten sie bis Mitternacht durch. Am Freitag sammelten sich Zehntausende fünf Minuten vor 12 vor der Zentrale der Österreichischen Mineralölverwaltung OMV, die vom niederösterreichischen Weinviertel bis Neuseeland unter teils höchst umstrittenen Umständen nach Öl bohrt.

Unterrichtsministerin Iris Rauskala hatte den Schulen freigestellt, im Rahmen eines Projekts die Teilnahme zu erlauben, wenn Lehrpersonen dabei sind. Deswegen erschienen ganze Schulklassen zur Demo. Eine zentrale Forderung lautete, man müsse die Wissenschaft ernst nehmen. Eines der Anliegen der Protestler richtete sich gegen den Plan, den Flughafen Wien Schwechat durch eine dritte Piste zu vergrößern: Das sei eine riesige Öko-Sünde. Auch die Wiener Verkehrsbetriebe warben: „Öffis nützen, Klima schützen!“ Ralf Leonhard, Wien

75.000 Ukrainer in Küstennähe bedroht

Bei Dauerregen scharten sich auch in Kiew über hundert Menschen vor dem Gebäude des Ministerrates um das Skelett eines Dinosauriers, der aus Plastikmüll angefertigt worden war. Die vorwiegend jugendlichen Kundgebungsteilnehmer kamen von „Fridays for Future“, „Extinction Rebellion“ und veganen TierschützerInnen-Gruppen. In Sprechchören forderten sie „Ukraine, fang bei dir selbst an“, „Wir haben keinen Planet B und deswegen müssen wir umsteigen auf 100 % erneuerbare Energiequellen“, „Ändere das System, nicht das Klima!“.

Sprecher Artur Sarkisjan warnte vor einem Weiter So. „Denn das heißt, dass die Temperatur auf der Erde bis zur Jahrhundertwende um 4 Prozent ansteigen wird. Und das bedeutet Umweltflüchtlinge und Hunger.“

Es werde weltweit Millionen Opfer der Umweltkatastrophe geben. In der Ukraine würden mindestens 75.000 Menschen, die in Küstennähe wohnen, ihre Häuser vor den anrückenden Fluten verlassen müssen. Immer wieder wurde in Redebeiträgen und Sprechchören der Kapitalismus angegriffen.“ „Enteignet DTEK“, stand auf einem Plakat. DTEK ist die größte Energieholding des Landes. Gerade an diesem Tag, dem „schwarzen Freitag“, sei es wichtig, Konsumverzicht zu üben, Kleidung nur Second Hand zu kaufen, meinte ein Redner. Auch in Odessa, Iwano-Frankiwsk und Charkiw wurde gestreikt. Bernhard Clasen, Kiew

Angst um den Stadtwald

„Wir fordern den Klimanotstand“, steht auf dem Plakat, das die Studentin Pratiksha hochhält. Der Klimawandel beschäftigt hier in Mumbai viele. Jüngst sind die Gemüsepreise explodiert, da ein Großteil der Ernte durch die viel zu lange Regenzeit verendet ist. Für die normale Bevölkerung ist der Markt zu teuer geworden. Doch die meisten der 150 Menschen, die an diesem Freitag an die Strandpromenade im Stadtteil Bandra gekommen sind, treibt etwas Anderes rum: Sie setzen sich für den Erhalt des Stadtwaldes Aarey ein. Zwar hatte die neue Regierung keine weitere Abholzung versprochen, doch darauf verlassen will sich hier keiner. Ein älterer Mann mit Aarey-Poster ist skeptisch. „Die Politiker sind alle gleich“, sagt er. Dazwischen rufen sie auf der Bühne „Power to the people“, und alle stimmen ein. Laut Extinction Rebellion haben in über 23 indischen Städten Proteste stattgefunden. Auf der Fridays For Future-Webseite wurden landesweit über 280 Aktionen gemeldet. Natalie Mayroth, Mumbai

Polarforscher danken FFF

Und selbst in den abgeschiedenen Weltregionen der Arktis und Antarktis wurde gestreikt. Sowohl auf dem arktischen Eis vor dem deutschen Forschungsschiff „Polarstern“ als auch vor der deutschen Neumayer-Forschungsstation in der Antarktis demonstrierten Wissenschaftler am Freitag für mehr Klimaschutz. Das zeigten Bilder, die eine Wissenschaftlerin des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven, Melanie Bergmann, auf Twitter teilte.

Sie streiken: Die Temperaturen steigen. Der Meeresspiegel auch. „Fridays for Future“ ruft am 29.11. zum Klimastreik. Samstag protestiert „Ende Gelände“ gegen den Braunkohleabbau. Und am 2.12. beginnt die UN-Klimakonferenz.

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„Polarforscher vom Süden bis zum Norden danken Fridays for Future dafür, Aufmerksamkeit auf unsere Wissenschaft zu richten!“, schrieb Bergmann dazu. Die Fotos zeigten, wie jeweils ein knappes Dutzend Wissenschaftler vor dem Schiff und der Station Schilder und Plakate hochhielten. Auf dem Plakat der Forscher vor der „Polarstern“ stand: „Wir liefern die Fakten. Es ist Zeit zum Handeln!“

Die „Polarstern“ treibt im Rahmen der „Mosaic“-Forschungsexpedition festgefroren an einer Eisscholle durch die Arktis. Auf dem Eis der Scholle haben die Wissenschaftler ein Forschungscamp erreicht, mit verschiedenen Messungen soll von dort aus das Klimasystem in der Zentralarktis erforscht werden. Ein Jahr lang soll das Schiff mit dem Meereis durch das Nordpolarmeer driften. dpa

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