Weitere Aufweichung der Schuldenbremse: Grünen-Chef nimmt Lars Klingbeil in die Pflicht
Felix Banaszak pocht gegenüber dem Finanzminister auf eine schnelle Reform. Eine entsprechende schwarz-rote Zusage stellte die Union jüngst in Frage.
Die Grünen stünden für eine „echte Reform der Schuldenbremse“ bereit. „Dafür braucht es jetzt auch eine SPD, die mehr ist als nur Ankündigung – sondern endlich bereit, den Worten ihres Parteivorsitzenden Taten folgen zu lassen. Wir erwarten eine Reform noch in diesem Jahr“, sagte Banaszak.
Lars Klingbeil, SPD-Chef und Finanzminister in Personalunion, hatte am Donnerstag angekündigt, eine „Modernisierung der Schuldenbremse“ voranzutreiben. Er werde „in Kürze eine Expertenkommission einsetzen, die Vorschläge dafür entwickelt“, kündigte er im Bundestag an. Ziel sei es, die Ergebnisse noch 2025 in einem Gesetz zu verabschieden.
Das Vorhaben entspricht einer Vereinbarung im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Zuvor hatten SPD und Union eine entsprechende Kommission schon den Grünen zugesagt, als diese im März im Bundestag kurzfristig einer begrenzten Lockerung der Schuldenbremse zugestimmt hatten.
Aus der Union wurde das Versprechen in dieser Woche allerdings wieder in Frage gestellt. „Mein Herz hängt nicht an der Reform der Schuldenbremse“, sagte der neue CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann.
Doppelter Vorbehalt
In CDU und CSU gibt es zum einen inhaltliche Vorbehalte gegen eine weitere Lockerung der Schuldenbremse. Schon gegen die Reform aus dem März, durch die Verteidigungsausgaben weitgehend von der Schuldenbremse ausgenommen und ein einmaliges Infrastruktur-Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro ermöglicht wurde, gab es in der Union Widerstände.
Zum anderen müsste für eine tiefgreifende Reform erneut das Grundgesetz geändert werden. Für die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit bräuchte es im neuen Bundestag aber anders als im alten auch die Stimmen der Linkspartei, und in der CDU gilt noch immer ein Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken.
„Die neue Koalition ist gerade einmal eine Woche im Amt – und schon zeigt sich ein eklatanter Riss bei einem zentralen Zukunftsthema“, sagte Grünen-Chef Banaszak dazu der taz. In dieser Woche sei klar geworden, dass die Union „kein Interesse an einer ernsthaften Investitionswende“ habe.
„Volkswirtschaftlich unsinnig“
Inhaltlich plädierte Banaszak dafür, die „Schuldenbremse vom Investitionsverbot“ zu befreien. „Es ist volkswirtschaftlich unsinnig, wenn der Staat zwar marode Straßen flicken, aber keine klimaneutralen Schulen bauen darf“, sagte er. Die Grünen seien für eine Schuldenbremse, die „zwischen Konsum und Zukunft“ unterscheide und „kluge Investitionen“ ermögliche.
Die Linkspartei hatte schon im März davor gewarnt, dass sich CDU und CSU nicht an die Ankündigung einer Reformkommission halten würden. „Eines muss euch klar sein, liebe Grüne: Mit diesem Deal wird es mit der Union keine ernsthafte Reform der Schuldenbremse in der nächsten Legislatur geben. Darauf gebe ich euch Brief und Siegel“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Christian Görke, als der Bundestag mit den Stimmen von Union, SPD und Grüne die erste Lockerung verabschiedete.
Auch die Grünen sahen diese Gefahr damals, stimmten aber trotzdem mit Ja, weil sie nicht riskieren wollten, dass es aufgrund der schwierigen Mehrheitsverhältnisse im neuen Bundestag gar keine Änderungen an der Schuldenbremse gibt.
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