Weiterbildung für junge Türkinnen: Eine Chance für Akademikerinnen
Viele türkische Akademikerinnen können in Berlin nicht in ihrem Beruf arbeiten, weil die Ausbildung nicht anerkannt wird. Beim Türkischen Bund können sie sich nun zu "Integrationsmanagerinnen" für Schulen, Kitas und Jugendzentren weiterbilden.
Nuran Beyazgül und ihr Mann leben seit 30 Jahren in Deutschland. Als sie damals herkamen aus Istanbul, war ihr Mann bereits fertig mit seinem Studium der Germanistik. In seinem Beruf arbeiten kann er jedoch bis heute nicht: Weil ausländische Ausbildungen, speziell akademische, in Deutschland oft nicht anerkannt werden. Die Folge: Einige Jahre lebten die Beyazgüls von Arbeitslosengeld. Heute verdient Nuran Beyazgül ihr Geld als Sozialmanagerin.
Andere Frauen sollen es künftig nicht so schwer haben, findet Nuran Beyazgül. Darum hat sie beim Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB) ein Projekt initiiert, dass türkische Frauen mit akademischen Qualifikationen zu "Integrationsmanagerinnen" ausbilden soll. "Ziel ist, die Frauen in ihrem Berufsfeld in den Arbeitsmarkt zu integrieren", sagte Beyazgül am Donnerstag bei der Vorstellung des Projekts. Viele Frauen könnten interkulturelle Arbeit im sozialen und pädagogischen Bereich leisten. Vor allem ihre Mehrsprachigkeit sei dabei von Vorteil.
Das Projekt ist einmalig in Berlin, obwohl der Bedarf an solchen Fortbildungen immens sein dürfte. In Berlin leben nach Angaben des TBB rund 200.000 aus der Türkei stammende Menschen. "Es gibt keine Statistik darüber, wie viele gebildete türkische Frauen hier ihre Berufsqualifikationen nicht nutzen können. Es werden aber spürbar immer mehr", so Beyazgül. Das liege daran, dass auch in der Türkei inzwischen immer mehr Frauen einen Beruf erlernen und Karriere machen wollen. Wenn sie in Deutschland jedoch nicht arbeiten könnten, verlören sie ihre Selbstständigkeit wieder.
Die 15 Teilnehmerinnen, die seit bis zu zehn Jahren in Berlin leben, haben entweder ein Studium oder eine Berufsbildung mit einer sozialen oder pädagogischen Ausrichtung in der Türkei begonnen, meist aber abgeschlossen. Trotzdem werden sie beim Arbeitsamt als "ungelernte Arbeitskräfte" geführt und leben von Hartz IV.
Ab September startet die 9-monatige Schulung, bei der die individuellen Fähigkeiten ausfindig gemacht und gefördert werden sollen. Gleichzeitig werde die Vermittlungversuche für die Akademikerinnen beim TBB beginnen. Anschließend soll mindestens ein zweimonatiges Praktika vermittelt werden. Am Ende werde man den Teilnehmerinnen ein Zertifikat über die Weiterbildung durch das Projekt überreichen. Beyazgül: "Praktikanten mit Interesse für das Projekt und mögliche Teilnehmerinnen sind willkommen."
Beyazgül sieht mit ihrem Projekt endlich die Möglichkeit, erhebliche Lücken in der Integrationspolitik zu schließen. "Wir können den Frauen eine neue Perspektive und die Chance geben, wieder mehr Selbstvertrauen und Motivation zu finden. Es ist bekanntermaßen schwierig, aus der Situation des Hartz IV Empfängers, vor allem in einem fremden Land, eigene Auswege zu finden." erklärt die Projektkoordinatorin.
Derya Ovali, Vorstandsmitglied des TBB, erzängt: "Die Integrationsmanagerinnen sollen Arbeitsstellen beziehen, die ihren Berufsfeldern entsprechen." Besonders für die Arbeit in Schulen, Kitas, Jugendzentren oder Integrationsprojekten seien die Frauen geeignet. Dort sollen sie mit ihrem beruflichen und kulturellen Hintergrund eine bessere Integration von Migranten unterstützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!