Weihnachten für umme (24): Klauen ist auch Umverteilung

taz-Adventskalender, letztes (digitales) Türchen: Ak­ti­vis­t*in­nen gehen klauen, um auf Armut aufmerksam zu machen. Ein Diebstahl-Tutorial.

Ein gestelltes Symbolfoto eines Mannes mit Schnauzer, der im Supermarkt in eine Wurst beißt

Mundraub (Symbolfoto) ist Beweismittelvernichtung: Nicht nachmachen, ist wie Diebstahl strafbar! Foto: Steffen Schellhorn/imago

Die taz Berlin sucht in Zeiten von Inflation und Energiekrise Türchen für Türchen nach Wegen, wie es ganz ohne Geld etwas werden kann mit dem ach so besinnlichen Fest.

Als würden die Wohnungskonzerne nicht schon die letzten Euros aus der arbeitenden Klasse und denjenigen herauspressen, die auf Unterstützungsleistungen angewiesen sind, wurden im vergangenen Jahr mit der Energiekrise nicht nur Strom und Gas teurer, sondern auch nahezu alle Lebensmittel: Nahrungsmittel sind laut Verbraucherzentrale in nur einem Jahr um über 20 Prozent teurer geworden – und der Anstieg hat noch immer nicht aufgehört.

Der Anstieg gilt für fast alle Grundnahrungsmittel: Sonnenblumenöl und Rapsöl kosten 81 Prozent mehr. Butter liegt bei plus 55 Prozent. Milch kostet zwischen 33 und 43 Prozent mehr, Joghurt 25 Prozent, Quark 57 Prozent und Sahne 43 Prozent mehr. Fleisch und Gemüse verzeichnen ebenfalls hohe Preissteigerungen. Trotz Energiekrise und wachsender Armut macht der Einzelhandel gute Umsätze. Und Supermärkte sichern teilweise schon Lebensmittel wie Butter gegen Diebstahl.

Ein Strumpf mit der Zahl 24 - ein Bild zum taz Berlin Adventskalender

Foto: taz

Und nicht nur das: Es gibt offenbar tatsächlich Einzelhändler, die trotz der Krise mit versteckten Preiserhöhungen etwa durch kleinere Packungsgrößen auf dem Rücken der Kun­d*in­nen noch mehr Kasse machen, wie die Verbraucherzentrale Hamburg kritisiert.

Ebenso kritisiert die Verbraucherzentrale, dass nicht alle Preissteigerungen transparent sind und auch nicht immer auf höheren Herstellungskosten basieren. So werde nicht nur mit Energierohstoffen spekuliert, sondern auch mit Nahrungsmitteln wie Weizen, Butter und Pflanzenölen. Es gibt mittlerweile bereits Beschwerden beim Bundeskartellamt über überhöhte Lebensmittelpreise. Entsprechende Untersuchungen beziehen sich bislang vor allem auf den Einzelhandel. Kurzum: Kapitalismus kickt in der Krise mal wieder besonders rein – wie immer auf Kosten der Ärmsten.

Umverteilung konkret

Die Gruppe „Wir verteilen um“ schreitet wohl auch angesichts menschenverachtender Debatten um die Höhe vom neuen Notgroschen „Bürgergeld“ zu drastischeren Aktionsformen: Die Ak­ti­vis­t*in­nen packen direkt an – beziehungsweise ein. Als politische Aktion geht die Gruppe in Supermärkten klauen und bietet die Waren in der Öffentlichkeit umsonst an. Motto: „Alles nur geklaut.“

Anlass genug auch für den „Adventskalender für umme“ mal ein paar Hinweise zu Ladendiebstahl vom Lkw fallen zu lassen. Dabei gilt: Bitte nicht nachmachen, Klauen ist eine Straftat, die sogar mit Gefängnis bestraft werden kann. Wir sagen nicht, dass jemand klauen gehen sollte. Wer sich jedoch nicht anders zu helfen weiß, sollte sich wenigstens nicht erwischen lassen. Dabei können ein paar Tipps nützlich sein, die wir ausdrücklich nicht als Aufforderung zu Straftaten verstanden wissen wollen und nur zu Bildungszwecken veröffentlichen.

Darüber hinaus kann man natürlich darüber streiten, ob Brot klauen überhaupt strafbar sein sollte, wenn das „Hartz“-Geld nicht reicht oder das Einkommen zu gering ist. Und grundsätzlich sollte man lieber aus der Feinkostwarenabteilung vom KaDeWe klauen als aus kleinen Familienunternehmen – ebenso lieber aus großen Discountern, Einzelhandelsketten und Kaufhäusern.

Grundregeln einklauen

Aber mal konkret: Es gibt ein paar Grundregeln, die man unbedingt beachten sollte. So sollte man möglichst unauffällig aussehen, keine Base-Caps, auffällige Bartfrisuren, falsche Wimpern oder zu viel Makeup. Gesichtstattoos sind auch meistens schlecht – gleiches gilt für ironische oder auffällige Pullover und auch schwarze Riesen-Hoodys, überdimensionierte Baggy-Pants oder Trenchcoats, die drei Nummern zu groß sind und gleich so aussehen als könnte man darunter einen Sack Kartoffeln verstecken.

Am Besten ist unauffällige Kleidung: ein normaler Pullover, ein schlichtes Hemd, Cordhosen oder Jeans und durchschnittliche Schuhe. Man sollte sich so anziehen wie man sich einen Karstadtdetektiv vorstellt: eine unscheinbare Person, deren Aussehen und Kleidungsstil man im Vorübergehen gar nicht wahrnimmt oder innerhalb von zwei Sekunden wieder vergessen hat – die Farbwahl sollte am besten auf grau oder weiß fallen, eine ordentliche Frisur kann auch nicht schaden.

Zweitens sollte man natürlich ruhig bleiben. Freundlich sein, lächeln, sich normal verhalten eben. Wer nervös wirkt, zittert oder sich permanent umschaut, wirkt verdächtig. Und natürlich sollte man trotzdem unauffällig darauf achten, ob Ladendetektive in der Nähe sein könnten oder Sicherheitskameras Regale überwachen und wenn ja: welche bzw. welche nicht.

Und wichtig: Nicht direkt in Sicherheitskameras schauen, nur durch Augenrollen aufblicken. Vorm Diebstahl sollte man gegebenenfalls etwaige Sicherheitsaufkleber, also elektronische Sicherungen vom Produkt entfernen oder darauf achten, dass sich keine solche Sicherung am Produkt befindet. In Aufklebern sind häufig elektronische Sicherungen versteckt.

Pappbecher vs. Klemmbeutel
Ein Pappbecher in Großaufnahme - ein Symbolfoto zum Thema Diebstahl

Vielseitig verwendbar: Pappbecher Foto: Siora Photography/unsplash

Techniken gibt es viele, vorgestellt seien hier zwei: 1. Die Pappbecher-Methode: Man nehme einen großen McDonalds-Trinkbecher mit Strohhalm, der praktischerweise undurchsichtig ist, tue so als würde man daraus trinken und gehe damit shoppen. Wenn unbeobachtet, füllt man den Becher auf mit den Dingen, die man gerade so braucht. Beim Einstecken sollte man sich beeilen, danach einfach so tun, als würde man weiter seinen Shake trinken. Ebenso kann man eine Kleinigkeit kaufen, was einen meist unauffälliger erscheinen lässt.

Noch besser nimmt man eine Tüte im Ladendesign dazu. Wenn beim Rausgehen doch der Alarm losgehen sollte, sieht man damit aus wie ein normaler Kunde – und der Kunde ist ja König. Wenn der Alarm losgeht, auf keinen Fall rennen, sondern etwas verwirrt dreinschauen und dann langsam weitergehen. Gut möglich, dass sich eh keiner dafür interessiert.

2. Die Klemmbeutel-Methode: Man nehme ein altes T-Shirt, trenne einen länglichen Streifen heraus. Den tackere man an den Seiten zusammen, sodass man einen flachen Beutel hat, den man sich zwischen Hose und Unterhose oder Strumpfhose klemmen kann. Dafür nimmt man am besten acht kräftige Foldbackklammern, die man vorher aus dem McDonaldsbecher genommen hat.

Dann nimmt man sich einen Einkaufswagen und tut dort größere sperrige Gegenstände rein, die am besten die Sicht auf die Leistengegend von vorne verdecken. Im Anschluss sucht man sich einen Gang ohne Kameras, anderen Kunden oder Ladendetektiven und steckt sich Dinge in den Klemmbeutel. Hat man das, was man benötigt, kann man den Einkaufswagen irgendwo im Laden stehen lassen und direkt rausgehen oder noch eine Kleinigkeit kaufen.

Und wem das alles zu riskant ist, der kann natürlich auch in der Gruppe einklauen gehen, wie es die Gruppe „Wir verteilen um!“ jüngst in Berlin getan hat. Oder sich deren geklaute Waren einfach schenken lassen, wenn man das Glück hat eine Aktion mitzubekommen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.