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Wegen TTIP und CetaFuttern wir bald Genfraß?

Mit den Freihandelsabkommen kommen gentechnisch veränderte Produkte nach Europa. Und das unkontrolliert, warnt Greenpeace.

Die Meinung von Umweltaktivistin Cecile Lecomte haben viele. Nicht alle hängen sich dafür kopfüber an einen Fahnenmast Foto: dpa

Berlin taz | Noch ist Europa quasi frei von gentechnisch veränderten Pflanzen und Nahrungsmitteln. Das könnte sich aber mit den transatlantischen Handelsabkommen TTIP und Ceta ändern, warnt Greenpeace. In einer am Donnerstag veröffentlichen Studie beschreibt die Umweltorganisation Einfallstore, durch die gentechnisch veränderte Waren unkontrolliert auf europäische Märkte kommen könnten. Das Bundeswirtschaftsministerium bestreitet hingegen, dass der ungehinderte Marktzugang möglich ist.

In dieser Woche verhandeln in New York die EU und die USA über TTIP. Die Inhalte sind geheim. Anhaltspunkte gibt aber das zwischen der EU und Kanada ausgehandelte Schwesterabkommen Ceta. Mit den Abkommen soll der Warenaustausch angekurbelt werden, indem Regeln angepasst werden.

In Sachen Gentechnik sind die Regeln höchst unterschiedlich. In den USA und Kanada sind gentechnisch veränderte Nutzpflanzen weit verbreitet, dazu gehören etwa mehr als 90 Prozent des angebauten Mais, Sojas oder Raps. 2015 wuchsen in den USA auf 43 Prozent der Agrarflächen genmanipulierte Pflanzen, in Kanada waren es 24 Prozent. In Europa dagegen gibt es eine einzige zugelassene Nutzpflanze, den Genmais Mon810. Er wächst nach Greenpeace-Angaben auf 0,07 Prozent der EU-Ackerflächen.

Anders als in den USA müssen gentechnische veränderte Lebensmittel in der EU auf Risiken geprüft werden, bevor sie auf den Markt dürfen. Außerdem müssen sie gekennzeichnet werden. „Wir haben in Europa mit Ausnahme von Tierfutter so gut wie keine gentechnischen Produkte“, sagt Dirk Zimmermann, Gentechnik-Experte von Greenpeace. Europäische Verbraucher wollen diese Produkte nicht. Deshalb sei die Kennzeichnungspflicht wichtig. Aber sie könnte künftig als Handelshemmnis gelten, fürchtet er.

Auch bei anderen Regelungen droht laut Greenpeace eine Aufweichung. „Ceta hebelt EU-Recht aus, indem der Vertrag auf andere Abkommen innerhalb der Welthandelsorganisation verweist“, sagt Zimmermann. Das gilt etwa für die Risikoprüfung.

Das von SPD-Chef Sigmar Gabriel geführte Wirtschaftsministerium weist das zurück. Die Abkommen, auf die der Ceta-Vertrag verweise, seien bereits in der EU und in Kanada geltendes Recht, erklärte ein Sprecher. „Das EU-Recht zur Kennzeichnung und Zulassung genveränderter Organismen bleibt von Ceta unberührt.“ Es werde zu keiner Absenkung der Standards kommen. „Das Schutzniveau konnte die EU bislang selber festsetzen und wird das auch künftig weiter können“, sagte er.

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13 Kommentare

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  • 2G
    25726 (Profil gelöscht)

    "Wer Lebensmittel ohne Gentechnik fordert, beharrt auf einem Gut, das er gar nicht mehr besitzt."

     

    Abgesehen vom fragwürdigen Wahrheitsgehalt dieser Behauptung: Den Satz selbst kann man sich auf der Zunge zergehen lassen. Ein Gentechnikbefürworter ohne Wenn und Aber, zugleich Anhänger der Freihandelskirche, erläutert uns, daß wir den Schierlingsbecher jetzt auch austrinken sollten, wo wir schon nicht verhindern konnten, daran zu riechen .

     

    Das zeigt die ganze Monstrosität Ihres Denkens.

  • wer fundiert was über die risiken von ttip wissen will - das genfutter ist ja nur ein nebenbeitrag - sollte hier mal reinlesen. viel freude beim bericht der london school of economy, der seit 2013 bis vor ein paar tagen von cameron geschubladed wurde.

    https://www.dropbox.com/s/mu0e4alijdhaqhw/bis-13-1284-costs-and-benefits-of-an-eu-usa-investment-protection-treaty.pdf?dl=0

  • @Manfred Stein u.W.

    Es geht nicht um eine diffuse Angst vor "Gentechnik" oder gar um Wissenschaftsfeindlichkeit, sondern um eine ganz konkrete Gefahr der Monopolisierung von Lebensmitteln und deren Vermarktungssystemen. Schon aktuell gehören weltweit 3/4 aller Samen wenigen Chemiekonzernen. Von allen patentierten Pflanzensorten besitzt allein Monsanto ca. 55%.Wenn sich mal jemand die Mühe macht, das fertige Ceta- Abkommen tatsächlich zu lesen (EU hat es ins Netz gestellt), kann man auf Seite 29 "Definitions" (IP) genau sehen wohin die Reise geht: u. a. jedes Patent sowie "Plant Breeders Rights" (UPOV) gelten als einklagbare Investitionen. Nicht umsonst warnt die UNCTAD, das System der Patentvergabe von Nahrungsmitteln dringend zu überdenken. Auch der Bundesrat fordert in seinem Beschluss von Juli 2015: "...wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für eine Verschärfung der europäischen Biopatentrichtlinie einzusetzen." Wir können es uns nicht leisten, dass einige wenige marktbeherrschende Saatgutkonzerne alleine über den Code des Lebens verfügen. Demokratie bedeutet immer, eine Wahl zu haben, die sich nicht auf den Urnengang alle vier Jahre beschränkt. Wenn wir die Patente und die Marktmonopolisierung von Saatgut nicht umgehend beschränken wird in ganz naher Zukunft niemand eine Wahl haben, was er/sie essen kann.

  • Soweit es den Konsum von Gen-Food betrifft, ist weder TTIP noch der Handel schuld, sondern ausschließlich die Masse der Verbraucher, die das Zeug verschlingt, nur um später ggf. darüber zu jammern, welche Schäden es angerichtet hat. Denn: Was niemand kauft, das kommt auch nicht in den Handel.

    • 1G
      1714 (Profil gelöscht)
      @wxyz:

      Dazu müsste man aber wissen, was man kauft. Und da hapert es gewaltig, schon heute...

  • An sich ist natürlich Transparenz für den Verbraucher immer gut. Auf der anderen Seite ist der Ekel vor "Genen" in Nahrungsmitteln inzwischen so fundamentalistisch und substanzlos, dass ich fast schon Verständnis bekomme für die Konzerne, die hier keine Chance auf eine sinnvolle Diskussion um guten und schlechten Einsatz von Gentechnik sehen und denen deswegen nichts anderes übrig bleibt als Lobbyarbeit gegen die Kennzeichnungspflicht zu betreiben.

     

    Mit anderen Worten: Greenpeace ist letztlich der größte Feind der Kennzeichnungspflicht.

    • @Christian:

      Greenpeace lebt von Angst. Es ist eine Angstindustrie, die verängstigte und uninformierte Verbraucher als Kunden (Spender) braucht. Viele Lebensmittel haben schon seit vielen Jahren in irgendeiner Weise Kontakt zu Gentechnologie und wir leben immer noch. Bei einer Kennzeichnung würde der Verbraucher das erkennen und Greenpeace würde die Geschäftsgrundlage entzogen.

  • Der deutsche Verbraucher lebt in einer Scheinwelt! 80 Prozent der Lebensmittel kommen während des Produktionsprozesses mit Gentechnik in Berührung, ohne dass der Kunde etwas davon ahnt. Beim Einkauf kann man Gentechnik nicht vermeiden. Wer Lebensmittel ohne Gentechnik fordert, beharrt auf einem Gut, das er gar nicht mehr besitzt. Trotzdem kassieren NGOs Spenden, um Verbraucher vor den von den NGOs selbst herbeigeredet Risiken der Gentechnik zu schützen. Cleveres Geschäftsmodell; muss ich neidlos zugestehen.

    Bitte zeigen Sie mir mal einen Verbraucher, der auch nur einen roten Po durch Gentechnik bekommen hat.

    • 1G
      10391 (Profil gelöscht)
      @Manfred Stein:

      Dann beweisen Sie mir bitte mal, das ein roter Po NICHT durch Gentechnik verursacht wird !

      Ebenso die steigenden Allergien, Unverträglichkeiten und andere Zivilisationskrankheiten.

      Wird Ihnen kaum gelingen - genauso wie das Gegenteil dieser Aussage.

  • Eigentlich futtern wir die ganze Zeit Genfraß. Die meisten Hochertragssorten wurden mithilfe radioaktiver Strahlung oder chemisch mutagener Substanzen gezüchtet. Je mehr Mutationen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, eine profitablen Effekt zu erzielen.

    Auch dies ist Gentechnik, denn es wurden zeitgleich wahllos Mutationen erzeugt, die das Erbgut veränderten.

    Dagegen ist Crispr/Cas9 ein Witz.

    • @Manni:

      Früher hat man Kartoffeln mit einem Röntgengerät bestrahlt und dann geschaut, was da so alles herauskommt. Das sind heute Sorten im Ökolandbau.

       

      Crispr/Cas9 hat einen großen Nachteil: Die Veränderungen sind nicht nachweisbar. Es entfällt so eine wichtige spendentechnische Geschäftsgrundlage vieler NGOs. Mein Beileid.

  • Was heißt "bald"? Schon im ersten Satz steht "quasi". Prinzipiell ist gegen Freihandelsabkommen per se erst mal nichts einzuwenden, bauen sie doch Handelshemmnisse ab. Fragwürdig ist jedoch, wie TTIP und CETA zustandekommen und wie bei Streitigkeiten verfahren werden soll: Hinter geschlossenen Konferenzraumtüren werden die Abkommen ausgehandelt und Schiedsgerichte sollen schlichten. Witzig auch, wie sie uns verkauft werden: Angeblich sollen dadurch Zigtausende neuer Arbeitsplätze entstehen; tatsächlich findet im günstigsten Fall eine Verlagerung statt – denn was in den USA produziert wird, findet hier weniger Verwendung und baut letztlendlich Arbeitsplätze ab. Bestes Beispiel ist das umstrittene Freihandelsabkommen EPA mit den Ostafrika. Der Oberknaller aber war die Beruhigungspille, die uns dann verabreicht wurde: Das Chlorhühnchen soll aus den TTIP-Verhandlungen gestrichen werden. Na dann: Mahlzeit zusammen!

    • @Bertram G. Appel:

      Die Studien gehen von einem Wachstumsimpuls aus. Wieso sollten Arbeitsplätze in die USA verlagert werden? Weil die Leute kein deutsches Bio mehr essen, sondern den billigen Genmais aus den USA von Monsanto. Nicht logisch. Vor allem geht es um einen großen Wirtschaftsraum. Wer die Standards setzt, hat einen Vorteil.