Washington: Mordanklage nach Schüssen auf Botschaftsmitarbeiter
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, ein israelisches Paar erschossen zu haben. Sie hatten sich für Frieden eingesetzt.

Der getötete Mann habe auch die deutsche Staatsangehörigkeit gehabt, hieß es aus Diplomatenkreisen. Die kommissarische US-Staatsanwältin Jeanine Pirro sagte bei einer Pressekonferenz am Donnerstag, dass die Anklage gegen den mutmaßlichen Täter einen Fall darstelle, für den sogar die Todesstrafe infrage komme. „Wir werden dies weiterhin als Hassverbrechen und als terroristisches Verbrechen untersuchen“, sagte Pirro vor Reportern.
In den Anklagedokumenten heißt es, der Angeklagte sagte der Polizei am Tatort: „Ich habe es für Palästina getan, ich habe es für Gaza getan.“ Ein mutmaßliches Video der Verhaftung zeigt einen Mann, der von Sicherheitsbehörden abgeführt wird und dabei „Free, free Palestine“ ruft.
Bei seinem ersten Erscheinen vor Gericht am Donnerstag verzichtete der Angeklagte auf sein Recht auf eine Haftanhörung. Eine vorläufige Anhörung wurde für den 18. Juni angesetzt. Die Generalstaatsanwältin der USA, Pam Bondi, hatte zuvor erklärt, dass der mutmaßliche Täter vermutlich allein gehandelt habe. Nach der Tat wurden die Sicherheitsvorkehrungen in den israelischen Botschaften in aller Welt sofort verschärft.
Nachdem die Bundespolizei FBI die Wohnung des Angeklagten in Chicago durchsucht hatte, teilte der stellvertretende FBI-Direktor Dan Bongino in den sozialen Medien mit, die Ermittler hätten Kenntnis von bestimmten Schriften, die vom Angeklagten verfasst worden seien und überprüften diese nun auf Echtheit.
Bonginos Erklärung schien sich auf ein mit dem Namen des mutmaßlichen Täters unterzeichnetes Manifest zu beziehen, das am Mittwochabend kurz vor der Tat auf einem anonymen Konto der Plattform X veröffentlicht wurde. Unter dem Titel „Escalate For Gaza, Bring The War Home“ (Eskaliert für Gaza, bringt den Krieg nach Hause) verurteilte es Israels Tötung von Zehntausenden von Palästinensern seit den Angriffen der Hamas im Oktober 2023 und diskutierte die Moral von „bewaffneten“ Aktionen.
Die Getöteten hatten sich für Frieden eingesetzt
Das getötete Paar hatte sich für die Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern eingesetzt, wie ihre jeweiligen Interessengruppen mitteilten. Nach Angaben des israelischen Botschafters in den USA, Yechiel Leiter, standen die beiden kurz vor der Verlobung: Der getötete Mann habe diese Woche einen Ring gekauft und seiner Freundin kommende Woche in Jerusalem einen Heiratsantrag machen wollen.
Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), beschrieb ihn als „aufgeschlossenen, klugen und tief engagierten Menschen“. Der Leiter der Synagoge Bet Mishpachah in Washington, Joshua Maxey, würdigte die Arbeit der Frau für die Inklusion von sexuellen Minderheiten (LGBT).
US-Präsident Donald Trump, Bundeskanzler Friedrich Merz und andere Staats- und Regierungschefs verurteilten die Tat. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zeigte sich erschüttert über die Tötungen und kündigte einen verstärkten Schutz für die Botschaften weltweit an. Sein Büro teilte mit, er und Trump hätten telefoniert. Trump habe seine Trauer ausgedrückt. Beide Politiker hätten auch über den Krieg im Gazastreifen gesprochen.
Israels Außenminister: Hetze aus Europa
Der israelische Außenminister Gideon Saar machte auch europäische Politiker für die Tat mitverantwortlich. „Es gibt eine direkte Verbindung zwischen antisemitischer und anti-israelischer Hetze und diesem Mord“, sagte er in Jerusalem. „Diese Hetze wird auch von Führungspersönlichkeiten und Amtsträgern vieler Länder und Organisationen betrieben, besonders aus Europa.“ Saar ließ offen, auf wen er sich bezog. Er sprach von „Verleumdungen über Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Ermordung von Babys“, die den Weg für derartige Morde ebneten.
Die Regierung in Paris wies die Vorwürfe gegen Europäer als „ungerechtfertigt und empörend“ zurück. „Frankreich hat antisemitische Taten verurteilt, Frankreich verurteilt sie, und Frankreich wird sie weiterhin immer und ohne Zweideutigkeit verurteilen“, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums.
Vor dem Hintergrund der neuen israelischen Offensive im Gazastreifen und der wochenlangen Abriegelung des Palästinenser-Gebiets sind die Spannungen zwischen Israel und europäischen Staaten gestiegen. Die radikal-islamische Hamas hatte den Gaza-Krieg mit einem Überraschungsangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 begonnen. Dabei starben nach israelischen Angaben 1200 Menschen, 251 wurden als Geiseln genommen. Bei dem nachfolgenden israelischen Einsatz im Gazastreifen sind nach palästinensischen Angaben über 53.000 Menschen getötet worden.
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