Was Brasilien am Eröffnungstag erwartet: WM-Randale oder Demo-Geplänkel?

In Brasilien sind am ersten Spieltag Proteste angekündigt. Die Reaktionen der Ordnungskräfte werden darüber entscheiden, ob es eine friedliche WM wird.

3. Juni: Protest für höhere Löhne in Rio. Bild: ap

RIO DE JANEIRO taz | 12 Städte, 32 Mannschaften, 64 Spiele – und jede Menge Demonstrationen. Wie massiv die Proteste während der Fußballweltmeisterschaft sein werden, ist eine der großen offenen Fragen. Zuletzt traten in Brasilien immer wieder verschiedene Berufsgruppen wie Busfahrer, Lehrer und Polizisten in den Arbeitsstreik und sorgten teils für ansehnliches Chaos. Obwohl viele BrasilianerInnen über die WM lästern, erreichten die Straßenproteste in den letzten Wochen bei weitem nicht die Qualität, die sie während des Confed-Cups vor einem Jahr entfalteten.

Ob es während der WM zu größeren Auseinandersetzungen auf der Straße oder zu kleineren Demonstrationen kommen wird, dürfte sich entscheiden, wenn sich zeigt, wie die rund 100.000 Polizisten und 57.000 Soldaten auf die zahlreichen angekündigten (Klein-)Demonstrationen reagieren. Dabei blicken die Brasilianer vor allem auf Tag Eins des Wettbewerbs.

Das ist das Protestpaket, mit dem die Fußballweltmeisterschaft der Herren am Donnerstag beginnt: Die brasilianische Wirtschaftsmetropole São Paulo steht besonders im Fokus der Proteste. Hier ist die militante Szene gut organisiert und die Landlosenbewegung besonders stark. Sie hat für die Zeit der WM zahlreiche Protestaktionen angekündigt. Vor dem WM-Auftaktspiel in São Paulo hatte das wirtschaftliche Zentrum Brasiliens auch mit einem Streik der U-Bahn-Fahrer zu kämpfen, der aber mittlerweile beendet ist.

In Rio de Janeiro beginnt die Weltmeisterschaft am Donnerstag mit zahlreichen Demonstrationen. Ein Anti-WM-Bündnis ruft für den Donnerstagmorgen zu einer Großdemonstration ins Zentrum der Stadt – Motto: „Unsere WM ist die Straße“. Die Forderungen sind verschieden: Das Recht auf Stadt, die Demokratisierung des Fußballs und höhere Investitionen ins Gesundheitssystem stehen auf der Wunschliste.

Ganz in der Nähe rufen Frauenrechtlerinnen zum Protest. Für 17 Uhr Ortszeit, wenn es bereits dämmert, rufen linke Gruppen, die die WM am liebsten verhindern wollten, in das Touristenviertel Copacabana. Das könnte auch eine Szenario für den schwarzen Block abgeben – einige Cariocas spekulieren, dass die militante Szene, die zuletzt selten offen in Aktion getreten ist, auf ihr Sternstündchen wartet.

„Mit offenem Gesicht“

In Salvador, wo die deutsche Mannschaft ihr Auftaktspiel gegen Portugal bestreiten wird, ruft am Donnerstag eine Gruppe für 13 Uhr auf die Straße – allerdings in deutlicher Abgrenzung zum schwarzen Block. Motto: „Ohne Masken, ohne Vermummung, mit offenem Gesicht.“

In der nordbrasilianischen Küstenstadt Natal, wo am Freitag Mexiko gegen Kamerun spielen soll, haben Busfahrer angekündigt, ab Donnerstag zu streiken. In der Stadt demonstrieren auch Taxifahrer gegen die blühenden Geschäfte von Hotels und Privaten, die den lizenzierten Fahrern während der WM Kunden wegschnappen.

In den südlichen Metropolen Brasiliens Porto Alegre und Curitiba wollen unter anderem auch indigene Bevölkerungsgruppen gegen Umsiedlungen und Landraub protestieren. Auch in anderen WM-Städten wie Fortaleza, Recife und Manaus in Nordbrasilien werden – mal größere, mal kleinere – Proteste erwartet.

Ach, und: Wenn am Donnerstag um 17 Uhr brasilianischer Zeit das Spiel Brasilien gegen Kroatien angepfiffen wird, soll noch eine ganz besondere globale Protestform ihren Lauf nehmen. Via Facebook haben Zehntausende angekündigt, den Fernseher pünktlich zum Match auszuschalten – und stattdessen lieber Liebe zu machen. Manche der Früchte dieses Protesttages werden also bereits am Donnerstag zu beobachten sein – andere erst neun Monate später.

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