■ Warum die Bundesrepublik der Türkei Panzer liefern sollte: Realität statt Parolen
Keine deutschen Panzer für die Türkei – eine richtige, eine schöne Parole, der sich jetzt auch Außenminister Joschka Fischer angeschlossen hat. Nur: Realpolitik ist das nicht. Realpolitik ist, daß die Türkei längst in Lizenz Leopard-I-Panzer baut, daß die Aufrüstung des Landes über Jahrzehnte hinweg auch von der Bundesrepublik im Rahmen des Nato-Finanzausgleichs unterstützt wurde und daß Bundeswehr und türkische Armee im Kosovo gerade eine Neuauflage ihrer alten Waffenbrüderschaft feiern.
Warum also keine Leopard-II für die Türkei? Bekanntermaßen schickt Ankara nicht nur Peace-keeping-Truppen ins Kosovo, sondern führt auch einen gnadenlosen Kampf gegen kurdische Aufständische im eigenen Land. Eines der Mißverständnisse, um deren Aufklärung willen Fischer vor einer Woche in Ankara war, bestand darin, daß die türkische Armee ehemalige NVA-Radpanzer von der Bundesregierung erhalten hatte und diese im Krieg gegen die PKK einsetzte. Im Gegensatz zum Auswärtigen Amt hat die türkische Armee daraus nie einen Hehl gemacht. Während der frühere deutsche Außenminister Kinkel, getrieben von heftigen Protesten der deutschen Öffentlichkeit, in einem Einsatz zur Aufstandsbekämpfung eine Verletzung des Geistes des Nato-Vertrages sehen wollte, waren Ankaras Generäle davon überzeugt, im Recht zu sein.
Diesmal ist es genau umgekehrt: Während die türkischen Militärs wahrscheinlich gar nicht daran denken, den tonnenschweren, für die kurdischen Berge denkbar ungeeigneten Leoparden in einem Konflikt einzusetzen, der zum Zeitpunkt der ersten Lieferung hoffentlich längst beendet sein wird, will man in Deutschland den Deal ausgerechnet mit dieser Begründung verhindern.
Es ist richtig, daß die Türkei vieles nötiger hätte als militärische Aufrüstung. Da diese Einsicht aber dort noch nicht mehrheitsfähig ist, die Bundesrepublik zusammen mit der Türkei in einer Militärallianz steckt, sollte man sich nun zumindest eine bessere Begründung ausdenken, um den Rüstungsexport zu unterbinden. Fischer ist angetreten, die deutsch-türkischen Beziehungen wieder auf eine glaubwürdige Basis zu stellen. Er weiß, daß die Türkei ein schwieriger Partner ist. Um so mehr sollte man auf Offenheit denen gegenüber setzen, die dieselben politischen Ziele haben. Ein Vertrag über den Beginn einer Rüstungskooperation im Panzerbau ab 2003 würde nicht die PKK, sondern die Bundesregierung in Schwierigkeiten bringen. Jürgen Gottschlich
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen