Warum „Abolitionismus“ helfen kann: Die Alternative lautet Abschaffen
Termindruck, schlechte Nachrichten und rechte Rechte: Das alles kann überfordern. Aber Menschengemachtes lässt sich ändern – und dafür gibts Konzepte.
M anchmal sieht der Tag nicht nach la doce vita aus. Der Crush aus dem Café hat aufgehört, dort zu arbeiten, bevor man sich hat verabschieden können. Man hat sich dagegen entschieden, einen Schirm einzupacken und plötzlich regnet es in Strömen. Und der Zug kommt zu spät, wenn man einen dringenden Termin hat. Manchmal hört man Nachrichten und wird mit Meldungen überfordert, die einen so sehr beschäftigen, dass man nicht einschlafen kann. Vielleicht, weil eine Bedrohungslage besonders nah zu sein scheint oder sie Menschen trifft, die man liebt.
Das kann ein Krieg sein, Repressionen wie in Iran oder Rechtsextreme, die mithilfe von Teilen der Bevölkerung staatliche Organe als Funktionäre und Entscheidungsträger*innen unterlaufen. Das passiert natürlich nur, weil die Grünen Gendern gut finden und die Ossis von den Wessis verarscht wurden (was sogar stimmt) und nicht, weil Rechte rechte Ideologien unterstützen.
Wer den Wahlkampf des AfD-Landrats Robert Sesselmann aus Sonneberg verfolgt hat, weiß, dass er mit nationalistischen und rassistischen Inhalten gepunktet hat und nicht mit sozialem Wohnungsbau, Armutsbekämpfung und Inklusion.
Doch weil Linke ja wissen, dass Menschengemachtes vom Menschen auch wieder verändert werden kann, verliere ich die Hoffnung nicht. Gerade bin ich guter Dinge, denn ich war vergangenes Wochenende auf einer Konferenz zum Thema Abolitionismus (von lat. abolitio = Abschaffung) in Hamburg. Verschiedene Grassrootinitiativen, die zu Themen wie Klima, Grenzregime, Rassismus und Polizei arbeiten, konnten sich dort vernetzen. Input gab es unter anderem von der Abolitionistin und Gefängnisforscherin Ruth Wilson Gilmore, einer Koryphäe in diesem Feld, die in ihrer Rede beispielhaft erläutert hat, was Abolitionismus sein kann.
Soziale Beziehungen neu denken
Ich erzähle das, weil hin und wieder, wenn ich über starke Rechte in Deutschland oder den Kapitalismus spreche, Kommentator*innen meiner Kolumne fragen: Und was bitte ist die Alternative? Als ob man nicht selbst nach nicht-rechten Alternativen schauen könnte. Für alle, deren Horizont weiter reicht als der Schlager „Layla“, werfe ich diesen Ansatz hier in den Raum.
Abolitionismus ist mehr als die Forderung nach weniger Finanzierung oder Abschaffung staatlicher Organe, wie der Polizei oder Gefängnisse. Die Idee ist, Herrschaft, Besitz und Eigentum grundsätzlich zu hinterfragen und soziale Beziehungen neu zu denken und einzugehen.
Wer nicht will, dass wir hier noch weiter nach rechts driften, muss sich diese Fragen stellen und kann sich offenbar nicht auf parlamentarische Politik verlassen. Abolitionismus ist eine Möglichkeit kreativer, gesellschaftlicher Transformation, mit der sich, in Zeiten, in denen die AfD eine*n Kanzlerkanditat*in aufstellen will, die Auseinandersetzung lohnt.
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