Warten auf den Waffenstillstand: „Ich überlasse es einfach Gott“
Im Gazastreifen hoffen die Menschen, dass der Friedensplan Trumps Wirklichkeit wird. Doch Zweifel und Angst überwiegen, auch bei unserem Autor.
W ie oft wir schon fliehen mussten. Flucht hat sich in unser Leben eingewebt, als sei sie natürlicher Teil davon geworden, als sei sie Teil unserer Identität. Dafür hat die Besatzungsmacht gesorgt.
Nach der Evakuierungsanordnung für Gaza-Stadt mussten wir erneut gehen. Wir verließen das Haus unserer Verwandten, in dem wir gewohnt hatten, seitdem suche ich nach einem Haus, das meine Familie sich leisten kann, aber die Mieten sind hoch und es gibt nur wenige verfügbare Wohnungen – viel zu wenige für die große Zahl von Menschen, die aus der Stadt fliehen. Eine Wohnung hatten wir gerade gefunden, in Deir al-Balah, da bat uns der Vermieter wieder auszuziehen, weil jemand anderes mehr zahlen wollte.
Viele Menschen sind in Gaza-Stadt geblieben, einfach weil sie keine Wohnung finden konnten oder die Kosten für den Umzug nicht aufbringen konnten. Allein der Transport unserer Habseligkeiten von Gaza-Stadt nach Deir al-Balah kostete uns 800 Dollar.
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Heute musste ich auf dem Weg zur Arbeit bei einem Schneider anhalten, um meine Hose reparieren zu lassen. Nach einem kurzen Gespräch erzählte mir der Schneider – ein junger Mann, er heißt Mohammed –, dass er einen drei Meter langen Abschnitt des Bürgersteigs gegenüber dem Haus eines Mannes in Deir al-Balah für 300 Dollar im Monat mietet.
„Ich überlasse es einfach Gott“
Mohammed träumt, wie so viele andere, die ihr Zuhause verlassen haben, davon, zurückzukehren. Ich fragte ihn, was er über Trumps Plan sagt. Fragte ihn, ob er glaubt, dass der Krieg vorbei sein wird. „Ich möchte die Nachrichten nicht wie alle anderen analysieren. Ich überlasse es einfach Gott“, sagte er.

Neben ihm saßen drei Männer, die über denselben Plan diskutierten. Sie waren sich einig: Sie alle wollten, dass die Hamas zustimmt, denn Gaza kann nicht noch mehr Tote verkraften. Die Menschen hier fürchten die Reaktion der Hamas, doch sie klammern sich an eine fragile Hoffnung – dass vielleicht, irgendwie, das Töten und die Zerstörung aufhören werden.
Auch ich verspüre ein wenig von dieser Hoffnung, aber ich habe auch Angst. So wie alle, die geflohen sind und sich danach sehnen, nach Hause zurückzukehren. Angst davor, dass es doch weitergeht. Und die Besatzungsmacht alles zerstört, was noch übrig ist.
Esam Hani Hajjaj (29) kommt aus Gaza-Stadt und ist Schriftsteller und Dozent für kreatives Schreiben für Kinder. Nach Kriegsausbruch ist er innerhalb des Gazastreifens mehrfach geflohen.
Internationale Journalist*innen können seit Beginn des Kriegs nicht in den Gazastreifen reisen und von dort berichten. Im „Gaza-Tagebuch“ holen wir Stimmen von vor Ort ein. Es erscheint meist auf den Auslandsseiten der taz.
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