Wandel in der Industrie: E-Autos können Wachstumstreiber sein
Bleibt die EU untätig, drohen massive Jobverluste in der Autoindustrie, warnt eine Studie. Mit Klima- und Industriepolitik ließe sich das verhindern.

Sie stellt drei Szenarien vor: Die Autoindustrie könnte europaweit in zehn Jahren bis zu einer Million Arbeitsplätze verlieren, wenn die derzeitigen EU-Klimaregeln abgeschwächt werden. Derzeit sind etwa drei Millionen Europäer*innen in der Autoindustrie beschäftigt.
Szenario zwei: Bleiben die Klimaziele, werden aber nicht von zusätzlichen Maßnahmen untermauert, gehen T&E zufolge 15 Prozent der Jobs verloren.
Wenn die EU aber zusätzlich zu den Klimaregeln die Stellung der europäischen Autoindustrie stärkt, sind es 2035 nur vier Prozent weniger Arbeitsplätze als aktuell.
Grundaussage nachvollziehbar, sagt Forscher
Für die Berechnung gehen die Studienautor*innen davon aus, dass ohne Änderung der Politik die Entwicklung des Sektors der Vorhersage des Branchendienstleisters GlobalData entspricht, der die Marktentwicklung der Autoindustrie intensiv beobachtet. Auf den Berechnungen von GlobalData basiert Szenario zwei, bei dem bis 2035 rund 15 Prozent der Jobs in der Autobranche verloren gehen.
Bei wirksamer Industriepolitik könne die Autoindustrie auf dem bisherigen Höchststand von 2016 produzieren, bei abgeschwächten Klimaregeln dagegen auf dem Tiefstand des Jahres 2021.
Die Szenarien mit den Daten 2016 und 2021 seien etwas willkürlich gewählt, sagt Axel Thielmann, Forscher am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI und nicht an der Studie beteiligt. „Die Grundaussage ist aber aus der Studie nachvollziehbar: Um die Autoindustrie nicht aufs Spiel zu setzen, muss die Transformation hin zur E-Mobilität gelingen.“
„Europas Erfolg hängt davon ab, welchen Weg EU-Politiker heute beschreiten“, sagt T&E-Direktoriumsmitglied Julia Poliscanova. Wie derzeit geplant, ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr zuzulassen und darüber hinaus die heimische Industrie und Nachfrage zu stärken, sei „die beste Chance, die die EU hat, um zu höherer Autoproduktion zurückzukehren.“
Die EU müsste Investments durch Staatshilfen ankurbeln, die Nutzung lokal produzierter Autoteile und Materialien vorschreiben sowie große Unternehmen zum E-Dienstwagen-Kauf verpflichten, fordert T&E. Entscheidend seien aber auch die CO2-Flottengrenzwerte für Unternehmen, damit die Investitionen in elektrische Antriebe steigen. Ansonsten sei die Nachfrage nach E-Autos zu niedrig.
Auch Löhne könnten steigen
Die Studienautor*innen haben berechnet, dass die Wertschöpfung von E-Autos innerhalb Europas um 11 Prozent gesteigert werden kann, wenn durch entsprechende Vorgaben der Anteil der importierten Autoteile von derzeit 25 auf 18 Prozent zurückgeht.
Bleibt die Zahl der Arbeitsplätze in etwa gleich, wie die Studie es im besten Szenario modelliert, könnte das dank der höheren Wertschöpfung höhere Löhne für die Arbeiter*innen bedeuten, falls die Konzerne nicht einfach ihre Profite steigern. Darüber hinaus entstünden Jobs in der Batterieproduktion und der Ladeinfrastruktur.
„Hier könnten sogar noch mehr Jobs entstehen, weil durch stärkere Batterieindustrie auch außerhalb der Autoindustrie Arbeitsplätze geschaffen werden können“, sagt Fraunhofer-Experte Thielmann.
Gewerkschaft teilt Forderungen
Die IG Metall will die Studie nicht bewerten, „wir teilen aber einige der Folgerungen der Studie“, sagte Ralph Obermauer, Auto-Experte der Gewerkschaft.
„Wir brauchen eine aktive Industriepolitik für deutsche und europäische Batteriezellfertigung, mit Investitions- und Produktionshilfen“ sowie Vorgaben zur heimischen Produktion von Autoteilen. „Und wir müssen die Nachfrage nach elektrifizierten Fahrzeugen auf dem schleppenden europäischen Markt stimulieren. Darin steckt sehr großes Potenzial“, sagte er.
In der T&E-Studie bleiben die Auswirkungen der Transformation auf die bestehenden Fabriken, die noch Verbrenner herstellen, unberücksichtigt. „Bestehende Standorte mit guter Beschäftigung dürfen im Wandel nicht unter die Räder kommen“, fordert deshalb der Gewerkschafter Obermauer.
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