Waldgipfel von Julia Klöckner: Welche Zukunft hat der Wald?
Julia Klöckner lädt zum Waldgipfel. Neben akuter Krisenbewältigung geht es um die Frage, wie es mit den Forsten weitergeht.
Die Antworten Klöckners in ihrem Diskussionspapier klingen erst mal banal: Der Bund verlängert die zeitlich befristete Erhöhung der zulässigen Gesamtgewichte für Holz-Lkws von 40 auf 44 Tonnen. Kleinprivatwaldbesitzer sollen in ihrer Verkehrssicherungspflicht unterstützt werden, und das Ministerium mahnt in seinem Papier an, bei der Beseitigung von Schadholz der Arbeitssicherheit eine hohe Priorität beizumessen.
Das ist der akuten Not im Forst geschuldet, mit mehr als 70.000 Festmeter Schadholz, die sich auf einem zusammengebrochenen Holzmarkt kaum noch verkaufen lassen, mit Kosten für Beräumung und Wiederaufforstung von rund einer Milliarde Euro.
Der Borkenkäfer hat sich ausgebreitet
Ein Beispiel: Der Wald des Kreises Herzogtum Lauenburg im Süden Schleswig-Holsteins. Von den rund 8.000 Hektar Wald sind schätzungsweise 25 Hektar kahl gefallen, berichtet der Leiter der Kreisforsten, Hennar Niemann. „Das klingt nicht viel“, sagt er, „aber für uns ist das eine neue Dimension.“ Auch im Norden war es in diesem Jahr viel zu trocken, der Wasserstand von Seen und Mooren zu niedrig. Zudem habe der Borkenkäfer sich ausgebreitet.
Auf die kahlen Flächen habe man bislang drei Antworten: Sämlinge, die schon unter dem Totholz wüchsen, würden geschützt; Sukzession, also die natürliche Entstehung von Wald, zugelassen. „Und wir müssen aktiv anpflanzen“, sagt Niemann, „am besten mit heimischen, angepassten Baumarten“. Die Kosten für die Wiederaufforstung beziffert er auf rund 10.000 Euro pro Hektar. Vom Waldgipfel in Berlin erwartet Niemann, endlich „anzuerkennen, dass das Produkt des Waldes der Wald selbst ist – und nicht nur Holz“.
Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz
Damit spricht er das dickste Brett an, das es auf dem Waldgipfel zu bohren gibt: Wie geht es weiter im deutschen Wald? Es wird darum gehen, seine „Öko-Systemleistungen anzuerkennen“, sagt Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. „Der Wald filtert und speichert Wasser, er kühlt die Luft und die Umgebung“, so Ibisch.
Das könne am besten ein geschlossener Mischwald mit einer intakten Humusschicht, ohne viele Waldränder, ohne breite Straßen, die ihn zerschneiden. „Die Krise des Waldes ist auch eine Krise der Landnutzung“, sagt Ibisch. Das eine Schwerpunktthema des Waldgipfels, nämlich wie die Räumung der Forste von Schadholz finanziert werden kann, findet er falsch gesetzt. „Das große Aufräumen schädigt den Wald zusätzlich“, fürchtet er.
Auch Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, fordert eine Neubewertung von Totzholz in den Wäldern. Es „reguliert aufgrund seiner großen Wasserspeicherkapazität das Waldmikroklima“, so Jessel, „es wirkt sich positiv auf die Humusanreicherung aus, verbessert die Energie- und Nährstoffkreisläufe in Wäldern und fördert die Verjüngung der Gehölze“. Zudem müsste der Anteil naturbelassener Wälder rasch von derzeit 2,8 Prozent auf 5 Prozent steigen.
Laszlo Maraz, Forum Umwelt und Entwicklung
So paradox es klinge – für einen ökologischen Waldumbau sei erst einmal mehr Personal nötig, sagt Ulrich Dohle, Vorsitzender des Bundes deutscher Forstleute. „Das Management von Naturschutzgebieten, die Waldpädagogik – das liegt alles brach“, so Dohle. Anfang der 90er Jahre seien Reviere 700 bis 800 Hektar groß gewesen, heute seien es bis zu 3.000 Hektar. „Da kann man sich nur noch um den Holzeinschlag kümmern“, sagt Dohle. Als einer der wenigem aus dem Forstbereich hat sich sein Verband am Klimastreik vom 20. September beteiligt.
Dabei müsste die Waldlobby im Klimaschutz aktiv sein und diesen von der Bundesregierung einfordern, sagt Laszlo Maraz vom Forum Umwelt und Entwicklung. Es sei nicht akzeptabel, dass sich Ministerin Klöckner auf dem Waldgipfel als Waldschützerin gebe, indem sie Steuergelder verteile. „Doch der Beitrag ihres Ressorts zum Klimaschutz ist minimal.“
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