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Waldexpertin über neue Klimastudie„Aufforstung allein bringt's nicht“

Aktuelle Berechnungen zeigen, dass neue Wälder CO2-Emissionen massiv ausgleichen könnten. Doch so einfach ist das nicht, erklärt Jana Ballenthien.

Können einiges, aber nicht allein die Klimakrise lösen: Bäume von morgen Foto: bauminvest
Interview von Andrew Müller

taz: Frau Ballenthien, eine am Freitag im Fachmagazin Science veröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass neue Wälder auf kaum genutzten Flächen zwei Drittel aller CO2-Emissionen ausgleichen könnten. Heißt das, dass uns Aufforstung vor dem Klimatod retten kann?

Jana Ballenthien: Überhaupt nicht. Die wissenschaftlichen Ergebnisse dürfen nicht die Illusion schüren, dass es eine einfache Lösung für alle Klimaprobleme gibt. Einfach ein paar Setzlinge zu pflanzen und damit raus aus dem Schneider zu sein, wird nicht funktionieren.

Wie meinen Sie das?

Zum Beispiel ist es eigentlich viel wichtiger, dass die massive Rodung alter Wälder gestoppt wird. Die kann man nämlich gar nicht durch Aufforstung ausgleichen. Das gilt nicht nur für den tragischen Extremfall Brasilien, sondern überall. In Rumänien gab es 2004 noch über 280.000 Hektar unberührte Wälder, heute sind es weniger als die Hälfte. Unter anderem, weil IKEA dort 8 Prozent seines Holzes her bekommt. Nicht einmal Schutzgebiete helfen da: Auch dort ist illegaler Holzeinschlag an der Tagesordnung.

Warum ist dieser alte Wald so wichtig?

Alte Wälder speichern viel mehr CO2 und Feuchtigkeit, sind artenreicher und resilienter. Neu aufgeforstete Wälder brauchen über hundert Jahre, ehe sie auch nur annähernd so etwas leisten können, und im schlimmsten Fall ähneln sie eher einer Monokultur.

Aber sind die Wissenschaftler*innen der ETH Zürich wirklich so naiv? Die wissen doch auch, dass überall gerodet wird und Bäume eine Weile brauchen, um zu wachsen.

Ja, aber sie ziehen sich oft zurück auf die reinen Zahlen. Die Forderung nach Aufforstung macht nur Sinn wenn man auch die kapitalistische Produktion und den ungezügelten Konsum insgesamt problematisiert. Ganz knapp gesagt: Wir müssen unseren Konsum drastisch reduzieren, wir müssen mehr Recycling betreiben und wir müssen alte Wälder erhalten und schützen. Man kann nicht erwarten, dass „der Wald“ und sein Holz als nachhaltiger Rohstoff einfach alle Probleme löst.

Bild: privat
Im Interview: Jana Ballenthien

ist Soziologin, Naturpädagogin und Waldreferentin bei der deutschen Umwelt- und Naturschutzorganisation Robin Wood.

Können Sie das genauer erklären?

Der Druck auf die Wälder ist enorm groß: Er wird für Sojafuttermittelanbau Palmöl gerodet, für den Bauboom und die Papierproduktion genutzt. Hinzu kommt der Zuwachs bei der Holzpelletverbrennung. Sogar als Kohleäquivalent wird der Wald vermarktet. Das ist aberwitzig. Die Gesamtmenge des Einschlages in Deutschland könnte – wenn das Holz nicht für andere Dinge benötigt würde – noch nicht einmal eine Kohlegrube ersetzen. Aufforstung kann also nur zeitgleich mit anderen Maßnahmen und einem (Bewusstseins-)Wandel auf allen Ebenen wirksam sein.

Wäre die Studie also besser nicht erschienen?

Wir begrüßen die Studie. Die Ergebnisse sind gut und wichtig, und wir brauchen solche positiven Signale. Aber das sollte nicht missverstanden werden als einfaches Allheilmittel, damit sonst alles so weitergehen kann. Sonst bringt die Studie die Möglichkeit mit sich, dass sich auf Aufforstung ausgeruht wird.

Wie könnte man das Aufforsten als einen Baustein gegen den Klimawandel sinnvoll angehen?

Das hat alles mit Geld und politischem Willen zu tun, auf globaler wie auch auf regionaler Ebene. Um aufzuforsten, muss man ja investieren und subventionieren – sei es nur, um Zäune zu bauen oder die Kleinbauern zu entschädigen, die vermutlich auf den fraglichen Flächen leben. Aber noch mal: Allein bringt das nicht so viel, wie man sich vielleicht wünschen würde.

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8 Kommentare

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  • Die alte Leier. Es geht doch gar nicht um Klimaschutz, sondern um Fundemantalkritik an Kapitalismus und Gesellschaft. Pragmatische Lösungen stören dabei nur.

    • @TurboPorter:

      "Es geht doch (...) um Fundamentalkritik an Kapitalismus und Gesellschaft" (Turboporter)



      Nun ja, da aber die Bewohnbarkeit dieses Planeten das Fundament jeder Form menschlicher Gesellschafts-und Wirtschaftsordnung darstellt werfen sich da schon ein paar grundlegende Fragen auf. Mit dem Pflanzen von Bäumchen alleine könnte es vielleicht nicht ganz getan sein.

  • Habe "natürlich" gerade nur die Einleitung und die Zusammenfassung gelesen und finde es schon etwas merkwürdig, dass die Zeitschiene, in der dieses Potential realisiert werden kann, gar nicht erwähnt wird.



    Hoffe natürlich dass solche Abstufungen in der eigentlichen Studie auftauchen.



    Das Dilemma wird von Jana Ballenthien schön aufgezeigt: die zusätzliche Abholzung übertrifft alleine das Potential der gleichzeitigen Aufforstung. Geschweige dass die Abholzung der letzten Jahrzehnte ausgeglichen wird.



    Dennoch bin auch ich ein absoluter fan davon zu pflanzen was möglich ist. Allein weil es eine der wenigen generationenübergreifenden Massnahmen sind die wir heute (natürlich neben Einsparungen) sinnvoll machen können und die definitiv keine schädlichen Nebenwirkungen hat. Beim Pflanzen sich damit zu beschäftigen wie der Baum mal aussehen wird, wer da drunter stehen oder laufen wird, wer ihn schliesslich nutzen wird....hat mich genauso berührt wie unter einem grossen Baum zu stehen und sich dessen vergangenes Leben vorzustellen.



    Hat einfach was und ist so was von jenseits von apps und twitter....



    Hm, auch als Atheist hänge ich anscheinend an der "Apfelbäumchenphilosophie".

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @Heiner Petersen:

      .



      Was das Bäumchen angeht, einer weiß da ganz genau Bescheid:



      www.faz.net/aktuel...ther-14967938.html



      Und wer erinnert sich noch an diesen empathischen Zweifler und Warner?



      de.wikipedia.org/w...%A4umchen_pflanzen



      Alles für die Katz

      • @61321 (Profil gelöscht):

        Oh je, schon verwende auch ich fake news!

        Und H.v.D. kann ich klammheimlich schon zustimmen, was die Endlichkeit der digitalisierten Zweibeiner angeht.

        Aber für mich gibt es nicht mal ein Jenseits. Fühle mich deswegen aber weder arm noch betrogen....;-)

        Gute Nacht!

  • wieviel kostet es eine tonne kohlenstoff aus der luft zurückzuholen? wenn man das wüsste wüsste man auch wieviel die verbrennung einer tonne kohle mindestens kosten müsste.



    und wenn man diese der menge nach kennt auch wieviel geld die industrieländer die rücksichtslos kohle verbrannt haben um reich zu werden der einen welt für die von ihnen verursachten historischen emmissionen schulden.

    es gilt das verursacherprinzip:wer das problem verursacht hat muss auch die kosten für seine lösung tragen.

    • @satgurupseudologos:

      Nur würden die Kosten dieser "Erbschuld" niemals getragen werden können. Wir brauchen schon realistische Lösungen, wenn wir da vorwärts kommen wollen.

      • @Ralf Eckstein:

        wenn kapitalist*innen die sich ohne rücksicht auf die globalen öffentlichen güter bereichert haben enteignet werden ist es durchaus möglich das verursacherprinzip auch auf die historischen emissionen anzuwenden