Wahlprogramm der Konservativen in UK: Johnson begräbt Tory-Sparpolitik

Neben dem Brexit versprechen die Konservativen mehr Staatsausgaben ohne Steuererhöhungen. Damit grenzen sie sich von Labours Linkskurs ab.

Großbritanniens Premier trägt Boxhandschuhe

Boris Johnson auf Wahlkampftour in einer Box-Schule in Manchester Foto: Andrew Parsons/imago images

Berlin taz | Großbritanniens konservativer Premierminister Boris Johnson hat sein Programm für die Wahlen am 12. Dezember vorgestellt. Er sprach am Sonntag bei der Präsentation des Wahlprogramms mit dem Titel „Den Brexit vollbringen, Großbritanniens Potenzial freisetzen“ vom Bestreben, dem Land „Selbstvertrauen und Sicherheit“ zurückzugeben.

Das Wahlprogramm markiert den endgültigen Bruch der Tories mit ihrer Sparpolitik unter Premierminister David Cameron. Das staatliche Gesundheitssystem soll den größten Finanzierungsschub seiner Geschichte bekommen, die Regierung will 50.000 neue Pflegekräfte und 20.000 neue Polizisten einstellen sowie Milliarden in Verkehrsinfrastruktur, Bildung und Technologie investieren. Höhere Einkommenssteuern, Sozialabgaben und Mehrwertsteuer schließt Johnson aus; für Geringverdiener gibt es Steuer- und Abgabenerleichterungen.

Im britischen Wahlkampf sind die Konservativen bislang die klaren Favoriten, mit steigender Tendenz – im Durchschnitt der Umfragen lagen sie am Sonntag bei 42,4 Prozent, gefolgt von Labour auf 29,6. Das reicht laut Prognosen für eine deutliche absolute Mehrheit.

Alle anderen großen Parteien ­haben ihre Wahlprogramme vergangene Woche vorgestellt. Labour verspricht einen staatlichen Investitionsfonds von 400 Milliarden Pfund, eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich und kostenlose Zahnbehandlung, Kinderbetreuung, Universitätsausbildung und Internet.

Noch nie lagen die Programme so weit auseinander

Außerdem will die Partei Sozialausgabensteigerungen von 83 Milliarden Pfund im Jahr, die Verstaatlichung von Eisenbahnen, Strom- und Wasserversorgung sowie von Teilen der Telekommunikation und Arbeitnehmeranteile an allen großen Unternehmen. Gegenfinanziert werden soll all dies durch Steuererhöhungen auf Spitzeneinkommen. Das Labour-Programm wurde weithin mit Skepsis aufgenommen.

Noch nie lagen die Wirtschaftsprogramme der beiden großen Parteien so weit auseinander, waren sich Kommentatoren gestern einig. Die Labour-Opposition reagierte auf das Tory-Programm prompt mit dem Vorwurf, Boris Johnson sei nicht zu trauen und seinen Versprechungen auch nicht. Der konservative Thinktank Institute of Economic Affairs hinterfragte die Kombination von Ausgabensteigerungen und Steuersenkungen.

Beim letzten Wahlkampf 2017 war die Veröffentlichung des Tory-Wahlprogramms der Moment, an dem Theresa Mays Sinkflug in den Umfragen begann, der am Ende einen als sicher geglaubten hohen Sieg in einen Verlust der Parlamentsmehrheit verwandelte. Daher wird genau beobachtet werden, ob über dieses Wahlprogramm kontrovers diskutiert wird.

Britische Wahlkampfexperten sagen: Wenn ein Wahlprogramm nach 48 Stunden niemanden mehr interessiert, hat es funktioniert – Sorgen muss eine Partei sich machen, wenn ihr Programm Debatten auslöst. Diesmal ist das eher bei Labour der Fall.

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