Wahlkampfthema Wirtschaft: SPD eifert den USA nach
Die Sozialdemokraten setzen auf einen Made-in-Germany-Bonus, um die Wirtschaft anzukurbeln. Exklusiv haben sie die Idee freilich nicht.
Die derzeitige Kanzlerpartei SPD, die in Umfragen nur auf Platz drei liegt und im Schlussspurt versuchen muss, den Trend zu drehen, verschaffte sich einen Tag Vorsprung. Am Sonntag traf sich der innerste Führungszirkel der Partei, das Präsidium, in Berlin. Als zündende Idee, um Investitionen anzuregen, beschloss man fürs Wahlprogramm eine Prämie für Unternehmen, die in Deutschland investieren, einen Made-in-Germany-Bonus.
Außerdem fordert man eine Begrenzung der Kosten für die Stromübertragung (Netzentgelte) auf drei Cent pro Kilowattstunde und möchte Verbraucher:innen zum Kauf eines E-Autos aus heimischer Produktion mit einem Steuerbonus animieren.
Zentral ist aber der Made-in-Germany-Bonus. Diese Steuergutschrift in Höhe von zehn Prozent der Kosten sollen alle Unternehmen erhalten, die hierzulande in Ausrüstung investieren, also neue Maschinen, Geräte oder Fahrzeuge kaufen, und zwar unabhängig davon, ob sie Gewinn erzielen oder nicht. Das unterscheidet den Vorschlag von dem der Steuersenkungen für Unternehmen, wie sie etwa die Union im Wahlprogramm vorschlägt.
Wie in den USA, nur viel kleiner
SPD-Kanzler und Spitzenkandidat Olaf Scholz nannte die Prämie „zielgerichtet, langfristig wirkend und unbürokratisch“, mithin „genau die richtige Maßnahme, die unsere Wirtschaft jetzt braucht“. Man plane damit etwas Ähnliches wie die USA mit dem Inflation Reduction Act.
Freilich auf viel kleinerem Niveau. Die Investitionsprämie der SPD soll einer internen Analyse zufolge 18 Milliarden Euro kosten. Der Inflation Reduction Act, den die Biden-Regierung vor zweieinhalb Jahren beschloss, hatte das zwanzigfache Volumen und diente außerdem gezielt der Förderung klimafreundlicher Technologien.
Aber gerade das viel geringere Volumen streicht man SPD-intern als Vorteil heraus. Die Prämie sei viel kostengünstiger als die von der Union geplanten Steuersenkungen und Abschreibungserleichterungen. Diese würden nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) jährlich 25 Milliarden Euro kosten. Positive Effekte hätten beide Maßnahmen laut DIW – aber die Prämie wäre mittelfristig ertragreicher. Für jeden investierten Euro bekäme der Staat 1,50 Euro zurück, während er mit dem Unionsvorschlag über einen Zeitraum von mehreren Jahren nur einen Euro erzielte.
Exklusiv hat die SPD den Vorschlag freilich nicht. Auch im Wahlprogramm der Grünen findet er sich, und Spitzenkandidat und Wirtschaftsminister Robert Habeck hat die Idee bereits im Oktober vergangenen Jahres in den Raum geworfen. Damals stieß er auf ein geteiltes Echo. Unionsfraktionsvize Matthias Middelberg kritisierte die Prämie als zu bürokratisch, der damalige Koalitionspartner FDP witterte ein Wahlkampfmanöver.
Union und FDP wollen Steuern senken
Die Union schlägt in ihrem Wahlprogramm eine Obergrenze für die Unternehmensbesteuerung von 25 Prozent vor. Diese setzt sich zusammen aus der bundesweiten Körperschaftssteuer (15 Prozent auf das Einkommen von Kapitalgesellschaften) und den regional unterschiedlichen Gewerbesteuern. Sie liegt nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln aus dem Jahr 2023 in Deutschland im Mittel bei 29,7 Prozent.
Die FDP, die sich am Montag zum Dreikönigstreffen in Stuttgart trifft, setzt ebenfalls auf Steuersenkungen. Parteichef Christian Lindner sagte am Wochenende in Interviews, dass seine Partei ohne ein Bekenntnis zu Steuersenkungen in keine Koalition eintreten werde. Ob die FDP, die derzeit in Umfragen bei 3 bis 4 Prozent liegt, es allerdings überhaupt in den Bundestag schafft, steht derzeit in den Sternen.
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