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Wahlkampfauftakt der AfDEin bisschen verdruckst

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Die AfD startet mau in den Wahlkampf: Der rechtspopulistischen Partei fehlt angesichts dominanter Corona- und Klimakrise ein zündendes Thema.

Malermeister-Folklore: Tino Chrupalla und Alice Weidel beim AfD-Wahlkampfauftakt Foto: dpa

D ie AfD ist in diesem Wahlkampf eine Partei ohne Gewinnerthema. Weder zieht angesichts der abgekühlten Flüchtlingsdebatte das Thema Migration. Noch kann die rechtspopulistische Partei mit Wissenschaftsleugnung in der Klimakrise etwas gewinnen, nach dem kollektiven Schock der jüngsten Extremwetterereignisse. Die Ungleichbehandlung von Impfverweigerern oder gar verschwörungsideologische Impfgegnerschaft haben derweil längst andere besetzt – zumal auch die AfD in diesem Punkt unglaubwürdig ist angesichts der Tatsache, dass auch AfD-Mitglieder sich impfen lassen.

Entsprechend zäh lief der Wahlkampfauftakt der Spit­zen­kan­di­da­t*in­nen Alice Weidel und Tino Chrupalla in Schwerin: Zu keinem Zeitpunkt war es so richtig euphorisch. Wohl auch aufgrund schwelender Konflikte im Bundesvorstand blieben die Kan­di­da­t*in­nen etwas verdruckst und verhalten. Aufbruchstimmung sieht anders aus.

Umso beunruhigender ist allerdings, dass die AfD trotz der Themenflaute und interner Grabenkämpfe in den Umfragen nur etwas verliert, aber stabil um die zehn Prozent liegt. Angesichts fehlender Themen ist das vermutlich als Erfolg zu werten. Die AfD hat eine Stammwählerschaft – in der Bevölkerung latent vorhandene rechtsextremistische Einstellungen haben bei ihr eine parteipolitische Heimat gefunden.

Der AfD reicht das allerdings nicht. Die Partei möchte neue Wählerpotentiale erschließen und an der (leider zunehmend brüchigen) Brandmauer der Konservativen kratzen. Der durchaus schlau gewählte Wahlkampfslogan „Deutschland. Aber normal“ trägt dem Rechnung. Mit der Kampagne will die AfD auf handzahm machen, weil sie auf Medien angewiesen ist, um ihren neoliberal-rassistischen Markenkern breiteren Wählerschichten zuzutragen. Dafür hat sich die Partei in diesem Wahlkampf erstmals selbst Regeln auferlegt: Wahlkämpfer sollten gepflegt aussehen und sich die Haare waschen. Auf die Wörter „Lücken- oder Lügenpresse“ soll verzichtet werden. Auch beim Wahlkampfauftakt der AfD hört man keine solchen Rufe.

Vage Freiheitsforderungen

Klar sind im Publikum Thor Steinar-Klamotten zu sehen, ebenso glatzköpfige Stiernacken und Jungalternative im Nibster-Identitären-Chic. Aber von der Bühne hört man wenig von den extremen Forderungen des Wahlprogramms, auf das maßgeblich Björn Höcke, Anführer des nur vorgeblich aufgelösten rechtsextremen Flügels, Einfluss genommen hat. In Schwerin fordern aber weder Weidel noch Chrupalla etwa den EU-Austritt Deutschlands. Sie appellieren an Nationalgefühle, forderten vage „Freiheit“ und kritisierten die Coronapolitik.

Unfreiwillig komisch war dabei der Auftritt von Tino Chrupalla, der mittlerweile zwar einen 7er BMW als Dienstwagen fährt, aber auf der Bühne immer noch den Malermeister aus dem Volk in Lackiereranzug mimte. Dass das allerdings nur ein billiger Showeffekt war, sah man sofort: Latzhose und Hemd waren blütenweiß und nur kurz auf der Bühne zu sehen: Nach einem kurzen Auftritt zog sich Chrupalla hinter den Kulissen schnell wieder seinen teuren Maßanzug an.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium in Potsdam. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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