Wahlkampf rechter Parteien in Mailand: Österreichs Krise dämpft die Laune
Rechte Parteien schließen in Italien ihren EU-Wahlkampf ab. Das Treffen ist überschattet von Österreichs zurückgetretenem Vize Strache.
Die italienische Lega hatte zuletzt die Teilnahme von zwölf Parteien – darunter die FPÖ – angekündigt, die nach der EU-Wahl eine gemeinsame Fraktion bilden wollen. Ursprünglich war sogar von fünfzehn die Rede gewesen. Schon vorab hatte allerdings Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán die Einladung Salvinis nach Mailand abgelehnt. Trotz des zuletzt völlig eskalierten Streits mit seiner konservativen EVP-Fraktion will Orbán dem neuen Bündnis vorerst nicht beitreten.
Seit Wochen hatte der Vorsitzende der Lega und italienische Innenminister Matteo Salvini für die Veranstaltung getrommelt. Eine „Demonstration seiner Stärke“ werde diese, war am Vorabend im italienischen Fernsehen zu hören. Schon im April hatten der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen und Salvini zu dem Event eingeladen. Man werde zur Gründung der neuen rechten Parteienfamilie ein rauschendes Fest der Völker feiern, hatten sie versprochen, auf dem wunderschönen Domplatz.
Mitte der Woche dann postete Meuthen ein Video, in dem er dem „lieben Matteo“ versichert, es sei ihm eine “große Ehre mit großen Patrioten zusammen für ein Europa der Vernunft“ zu kämpfen.
Le Pen hat selbst enge Verbindungen nach Russland
Anders als die Teilnahme des in Italien weithin unbekannten Meuthen hatte der Auftritt Marine Le Pens viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie gab schon früh am Morgen in einem Luxushotel in der Mailänder Innenstadt eine Pressekonferenz. Die von Salvini organisierte Demo am Nachmittag werde ein „historischer Moment“ versprach sie, vergleichbar mit der französischen Revolution und werde das „wahre Europa“ erschaffen. Eine „Supergroup“ wolle man im EU-Parlament bilden, und natürlich sei ein „Kampf der Kulturen“ zu führen. Die EU könne sich „zum ersten Mal seit Jahrzehnten“ verändern. „Diese Aussicht ist begeisternd.“
Am Freitagabend hatten mehrere Medien Videoaufnahmen veröffentlicht, die die FPÖ stark belasten: Dort ist zu sehen, wie Heinz-Christian Strache im Wahlkampf 2017 einer angeblichen russischen Millionärin in Aussicht stellt, ihr öffentliche Aufträge zuzuschanzen, wenn sie im Gegenzug der FPÖ zum Wahlerfolg verhilft.
Auf mehrere Nachfragen zum Strache-Video sagte Le Pen: “Wir haben es gesehen und warten jetzt auf die Erklärung von Heinz-Christian Strache. Vorher äußern wir uns nicht.“ Nach der Erklärung werde es “eine Diskussion“ in der Gruppe geben, so Le Pen. Sie finde es “sehr erstaunlich, dass es dieses Video seit zwei Jahren gibt und es jetzt, einige Tage vor der Wahl, plötzlich auftaucht.“ Le Pen pflegt selber enge Verbindungen nach Russland.
Der so genannte “Spitzenkandidat“ des RN, der gerade erst 23-jährige Jordan Bardella, saß während der 50-minütigen Pressekonferenz wie ein Assistent neben Le Pen und sagte bis zum Schluss nicht ein einziges Wort. Le Pen machte sich nicht einmal die Mühe ihn vorzustellen.
Protest von feministischen Gruppen getragen
Ursprünglich firmierte das neue Rechtsbündnis als “Europäische Allianz der Völker und Nationen“ englisch EAPN. Doch wegen der Verwechslungsgefahr mit dem gleichlautend abgekürzten Europäischen Armutsnetzwerk sprach Salvini nur noch vom “Europa der Vernunft“, in Brüssel läuft die Gruppierung als “Salvini-Allianz“.
In den letzten Tagen hatten viele Medien die Frage aufgeworfen, was diese eigentlich zusammen halte – schließlich gibt es fundamentale Unterschiede etwa in der Wirtschaft- und Finanzpolitik. Darauf angesprochen sagte LePen: “Kein Problem – wir sind Souveränisten, dass jeder seine eigene Vision hat, ist ja gerade unser Ansatz.“
Auch der AfD-Chef Meuthen war von der DPA auf die offensichtlichen Interessenkonflikte angesprochen worden und hatte Differenzen etwa in der Haushalts- und Finanzpolitik eingeräumt. „Wir sind nicht in allem einer Meinung, und ich weiß, dass sie manchmal verbal scharf schießt“, sagte er über Le Pen. „Ich glaube nur, dass die Vorteile einer Kooperation da die Nachteile überwiegen.“
Schon am Morgen trafen die ersten Busse mit Salvini-Anhängern aus Süditalien in Mailand ein. Wochenlang hatte die Lega vor allem auf Facebook dazu aufgerufen, am Samstag dem „Capitano“ – gemeint war Salvini – nach Mailand zu folgen.
Familie als „Schlüsselbegriff der Faschisten“
Auch Salvini selbst dürfte die Strache-Enthüllungen zu spüren bekommen. Seine Partei hat enge Beziehungen nach Russland. Vor Beginn des EU-Wahlkampfs hatten Journalisten der Zeitung L'Espresso geschrieben, dass Russland der Lega über einen krummen Öl-Deal Geld zukommen lassen wollte. Salvini hatte nicht gegen die Darstellung geklagt. Hinzu kommt, dass ein Lega-Staatssekretär vor einigen Tage wegen Mafia-Kontakten entlassen werden musste.
Den Protest trugen am Samstag vor allem feministische Gruppen um das Netzwerk Ni Una di Meno. Sie hatten in der Nacht auf Donnerstag die Straße Corso Venezia in mit pinken Fäusten bemalt. Auf dieser Straße in der Mailänder Innenstadt laufen jedes Jahr am Tag der Befreiung, dem 25. April, traditionell die Partisanen. Am Samstag startete dort der Marsch der Lega auf dem Weg zu Salvinis Kundgebung.
Eine Sprecherin von Ni Una di Meno sagte der taz, die Lege in Norditalien sei immer stärker mit nazistischen Gruppen verflochten und eines der wichtigsten gemeinsamen Themen sei die Genderpolitik: „Familie ist heute der Schlüsselbegriff für die Faschisten“. Für vierzehn Uhr hatte ein linkes Bündnis deshalb zur „Großen Gala für die Zukunft“ auf dem Platz vor dem Schloss Castello Sfrozesco aufgerufen. Das Motto der Kundgebung spielte auf die Familienpolitik der Lega an: „Rückwärts gegangen wird nicht“.
Salvini stellte sich am Freitag im Fernsehen als großer Europa-Freund dar. „Die Euroskeptiker sind die, die Europa derzeit regieren“, sagte er. „Die Anti-Europäer sind die Sozialisten und die, die den Traum in einen Käfig verwandelt haben.“
Spannungen in Italiens Regierungskoalition
Im Zentrum der neuen Allianz stehe der Schutz der europäischen Grenzen vor Migranten, sagte Salvini. Er wünsche sich eine EU, wie sie vor der Einführung der strengeren Kriterien zur Haushaltsdisziplin war. „Ich würde zu den Regeln vor Maastricht zurückkehren“, als man mit Wirtschafts- und Steuerregeln noch Ziele wie Wohlstand und Arbeitsplätze gehabt habe, sagte der Lega-Chef weiter. „Heute bringt uns Brüssel volle Arbeitslosigkeit.“
Die Regierungskoalition aus Salvinis Lega und der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung von Vize-Ministerpräsident Luigi di Maio liegt wegen ihrer Finanzpolitik mit der Europäischen Union (EU) über Kreuz. Ende 2018 hatten die EU-Kommission und Italien wegen der hohen Staatsschulden monatelang über den Haushalt für 2019 gestritten.
Doch zuletzt mehrten sich vor der Europawahl wegen des Umgangs mit den Staatsschulden die Spannungen innerhalb der Koalition. Di Maio sagte erst am Donnerstag, seine Partei werde kein Haushaltsgesetz zulassen, das die Staatsschulden in die Höhe treibe. Laut Salvini ist die Regierung hingegen bereit, die Defizit-Regeln der EU zu brechen und die Verschuldung weiter anschwellen zu lassen, um die Konjunktur anzukurbeln.
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