Wahlkampf in Niedersachsen: Volksbegehren zur Förderschule
In Niedersachsen macht die FDP den Streit um das Auslaufen der Förderschule Lernen zum Wahlkampfthema. Darin ist sie sich einig mit der CDU.
Eigentlich tut sie das schon seit dem Schuljahr 2013/2014. Grundschulen mit diesem Förderschwerpunkt gibt es längst keine mehr, aber im kommenden Schuljahr 2022/23 sollen auch die weiterführenden Schulen keine Fünftklässler mehr aufnehmen. Spätestens im Jahr 2028 würden dann die letzten Absolventen verabschiedet.
Wann es in den einzelnen Regionen Niedersachsens tatsächlich so weit ist, ist allerdings ganz unterschiedlich. Diese Entscheidung hat das Land vor ein paar Jahren den Schulträgern zugeschoben. Bei den Betroffenen regt sich der Protest meist erst, wenn „ihre“ Schule tatsächlich kurz vor der Schließung steht.
„Das ist ein fauler Kompromiss, auf den sich die Große Koalition damals geeinigt hat, weil sie sich bei diesem Thema nie einig waren,“ sagt Björn Försterling, Bildungsexperte der FDP. Seine Partei will nun im Wahlkampf mit dem Thema punkten und strebt ein Volksbegehren für den Erhalt der Förderschule Lernen an.
Zweimal sechs Monate Zeit
25.000 Unterschriften müssen die FDP-Wahlkämpfer dazu in den kommenden sechs Monaten an ihren Infoständen sammeln. Dann wäre das Quorum erreicht, mit dem bei der Landeswahlleiterin die Zulässigkeit beantragt werden kann.
Erst danach beginnt die eigentliche Sammlung, zehn Prozent der Wahlberechtigten in Niedersachsen, rund 400.000 Personen, müssten binnen sechs Monaten unterschreiben, damit sich der Landtag mit dem Begehren befassen muss.
„Unser Gesetzentwurf wird ja leider ausgesessen, also wählen wir jetzt diesen Weg“, sagt FDP-Chef Stefan Birkner. Seiner Auffassung nach hält die regierende SPD aus rein ideologischen Gründen an den rot-grünen Inklusionsbeschlüssen fest und ignoriert damit den Willen von Schülern und Eltern.
Aktuell gibt es noch 66 Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen in Niedersachsen, die sich auf 35 verschiedene Landkreise und kreisfreie Städte verteilen. 4.346 Kinder werden in diesem System derzeit beschult.
Auch Inklusionsbefürworter sind unzufrieden
Das Kultusministerium weist gern darauf hin, dass damit die Mehrheit von 82 Prozent der Schüler*innen mit einem diagnostizierten Lernförderbedarf längst inklusiv, an den Regelschulen, unterrichtet wird.
Allerdings sind die entsprechenden Diagnosen auch sprunghaft angestiegen – schon weil die weiterführenden Schulen ihren Unterstützungsbedarf sonst gar nicht geltend machen können.
Die Kampagne der FDP dürfte allerdings auch nicht nur auf die betroffenen Schüler und ihre Familien sowie die betroffenen Sonderpädagogen zielen, sondern vor allem auf die Lehrkräfte und Eltern, die eine Überlastung der Regelschulen beklagen.
In die Hände spielt der Opposition dabei, dass selbst Inklusionsbefürworter unglücklich mit der personellen und sachlichen Ausstattung sind. Maximal drei Förderstunden pro Schüler und pro Woche sollen den Schulen zur Verfügung stehen – oft klappt aufgrund des akuten Personalmangels aber nicht einmal das.
Fragwürdige Doppelstruktur
Von den multiprofessionellen Teams und regionalen Unterstützungsstrukturen, von denen die Landesregierung so gern spricht, komme in der Praxis viel zu wenig an, klagen die Lehrerverbände.
Viele Inklusionsbefürworter befürchten, dass die Aufrechterhaltung einer Doppelstruktur aus Förderschulen und inklusiver Beschulung zu ihren Lasten geht, weil der Personalmangel so weiter verschärft wird.
Die FDP hält den Effekt für übertrieben: „Es gibt ja viele Sonderpädagoginnen, die aus voller Überzeugung inklusiv unterrichten“, sagt Birkner. Außerdem dürfte sich ein Fortbestehen der Förderschulen eher entlastend auswirken, glaubt auch Försterling, weil die raren Lehrerstunden hier effektiver eingesetzt würden. „Das Doppelstrukturen immer mehr Geld kosten, ist ein Märchen.“
Wie groß das Mobilisierungspotenzial des Themas ist, muss sich zeigen. Möglicherweise dient es auch eher dazu, die schon von Schwarz-Grün träumende CDU daran zu erinnern, wer ihr natürlicher Partner ist.
Die FDP hatte schon 2013 einmal versucht, mit einem Volksbegehren Wahlkampf zu machen. Der Vorstoß für ein Neuverschuldungsverbot in der Landesverfassung schaffte es damals nicht über die erste Hürde mit 25.000 Unterschriften.
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