Wahlkampf in NRW: NPD macht auf Rechtspopulismus
Die eigentlich klassisch neonazistische Partei NPD springt auf den Trend Islamisierung auf. Bislang werden diese Ressentiments vor allem von "ProNRW" bedient.
Knapp drei Monate vor den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen hat die Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD) ihre erste Plakatserie für den Wahlkampf vorgestellt. Fünf markige Parolen auf blutrotem Hintergrund drehen sich um das Hausthema der rechtsextremen Partei: Überfremdung.
Dabei differenziert sie neuerdings zwischen Ausländern im Allgemeinen und Moslems im Besonderen und wendet sich explizit gegen den Islam. Links oben auf dem Plakat ist ein umfallendes Minarett gedruckt. Soziale Themen werden populistischen Angstbegriffen gegenüber gestellt. "Arbeit statt Zuwanderung", "Bildung statt Moscheen" oder "Heimat statt Minarette" heißen die neuen Kampfansagen. "Infam", findet Wolfgang Benz, der Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung, "weil es an niedere Instinkte appelliert und Gegensätze konstruiert, die es überhaupt nicht gibt". Zudem würden beim Begriffspaar "Zeche statt Ghetto" Assoziationen an die Juden als klassisches Feindbild geweckt.
Als letzte der rechtsextremen Parteien in Deutschland knüpft nun auch die NPD an die europaweite mediale Aufmerksamkeit für das Thema Islam an und setzt für die Wahl in NRW auf "Islamisierung".
In der politikwissenschaftlichen Forschung wird meist zwischen rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien und ihren Ideologien unterschieden. Die NPD galt bislang als "rechtsextrem", nicht aber als "rechtspopulistisch". Typische Beispiele für rechtspopulistisches Gedankengut in Deutschland sind die "Schill"-Partei, sowie, als aktuelles Beispiel: die "Pro"-Bewegung.
Der Rechtspopulismus adressiert sich an "Modernisierungsverlierer".
Das Phänomen populistischer Parteien ist nicht neu – so gab schon um die Jahrhundertwende in den USA eine "Populist Party", die vor allen von den vom Strukturwandel (Industrialisierung) bedrohten Farmern im Süden und Westen gewählt wurde. Sie wandte sich gegen "die Banken" und "die Geldwirtschaft" an der Ostküste, gegen die "Zentralregierung" in Washington und gegen die "Gewerkschaften". Als weiteres historisches Beispiel für eine populistische Partei werden von Zeit zu Zeit die Narodniki genannt.
Wichtige Ideologieelememente des modernen Rechtspopulismus: "Gegen Islamisierung", "gegen die da Oben", "gegen die in Brüssel (Europa)", oft auch "gegen Steuern und Abzockerei".
Moderner Rechtspopulismus ist seit den 80er Jahren fast überall in Europa zu finden, in der Schweiz zum Beispiel mit der SVP, in den Niederlanden und in Belgien mit Vlaams Block bzw. Vlaams Belang, in Österreich mit der FPÖ/dem BZÖ - oder auch die Fortschrittparteien in Skandinavien. (jus)
"... auf einen fahrenden Zug aufspringen"
"Hier will man offensichtlich auf einen fahrenden Zug aufspringen. Anscheinend haben jetzt auch die NPD-Strategen erkannt, dass diese Art der Demagogie ankommt und man damit punkten kann", sagt Benz. Zudem dienen auch die Erfolge als Vorbild, die Bewegungen wie die rechtsradikale Anti-Mosche-Initiative Pro Köln vor einigen Jahren erreichen konnte.
Dass die NPD das Potential der Islamophobie so spät erkannt hat, liegt nach Meinung von Alexander Häusler, Mitarbeiter der Arbeitsstelle Neonazismus der FH Düsseldorf, an den Auseinandersetzungen in der Partei selbst. "Eigentlich hat die gesamte modernisierte extreme Rechte in Europa einen Kursschwenk gemacht. Vom offenen Antisemitismus über vermeintliche Religionskritik zum neuen Kulturrassismus".
Rassistische Themen in die Mitte der Gesellschaft
Diese Entwicklung habe bei Parteien wie dem belgischen Vlams Belang, der FPÖ in Österreich und der Schweizerischen Volkspartei zu so großem Erfolg geführt. Es gelang ihnen rassistische Themen in die Mitte der Gesellschaft zu rücken und damit salonfähig zu machen. Eine "alte Neonazistische Partei" wie die NPD, "macht da nicht richtig mit", sagt Häusler, da heiße es noch immer "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" - Hier sind die Juden noch das Feindbild Nummer eins.
Den Fokus auf den Antisemitismus versuchen Bewegungen wie Pro-NRW abzuschütteln und punkten damit bei den WählerInnen, die sich vor allem von der „schleichenden Islamisierung“ bedroht fühlen.
Neue Strategie der NPD wird wohl nicht greifen
Für die Wahl in NRW sieht Alexander Häusler einen Achtungserfolg für die Pro-Bewegung voraus. Die NPD sei hingegen auf dem absteigenden Ast. Zu spät habe sie sich dem Modernisierungsprozess der anderen Parteien angeschlossen. Auch Wolfgang Benz hofft auf eine massive Niederlage der Nationaldemokraten. "Ich könnte mir vorstellen, dass die neue Strategie der NPD nicht greift. So ein Konzept hat nur ein Chance, wenn die Volksparteien bei den sozialen Themen schlafen".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen