Wahlkampf in Großbritannien: Trump als Störfaktor
Beim Nato-Gipfel muss sich Boris Johnson mit Donald Trump zeigen. Dabei wirft ihm die Opposition ohnehin zu viel Nähe zum US-Präsidenten vor.
Er werde sich aus Großbritanniens Wahlen heraushalten, versicherte Trump am Dienstagmorgen vor Journalisten in der US-Botschaftsresidenz in London – „aber Boris ist sehr fähig und ich denke, er wird einen guten Job machen“. Er selbst sei schon immer ein Fan des Brexit gewesen, fügte Trump hinzu.
Den Labour-Vorwurf, wonach Johnson nach dem Brexit den Ausverkauf des staatlichen britischen Gesundheitsdienstes NHS an US-Firmen plane, schmetterte Trump ab: „Wir würden das nicht haben wollen, selbst wenn ihr es uns auf dem Silbertablett anbieten würdet.“
Das dürfte kaum ausreichen, um Trump aus dem Wahlkampf zu nehmen. Labour operiert zwar in einer relativ faktenfreien Zone: Aus angeblichen Geheimdokumenten über britisch-amerikanische Handelsgespräche konstruiert Jeremy Corbyn die Behauptung, Johnson wolle den NHS „an die Amerikaner verkaufen“.
Wahlkampthema Gesundheitsdienst NHS
Doch die Protokolle von Gesprächen auf unterster Referentenebene aus dem Jahr 2017 über die möglichen Rahmenbedingungen zukünftiger Handelsgespräche haben weder etwas mit Johnson zu tun, noch stützen sie die Labour-These. Denn aus ihnen geht hervor, dass der NHS kein Thema sei.
Doch was in der Öffentlichkeit hängenbleibt, ist, dass Corbyn teilgeschwärzte Papiere in die Kameras hält und Johnson sich dazu verhalten muss. Der Premier mag ständig betonen, der NHS stehe nicht zur Disposition – dann kontert Labour, man könne ihm nicht trauen.
Corbyn wiederum hat das Problem, dass er die Nato am liebsten abschaffen würde, für eine Annäherung an Russland plädiert und Sympathien für alle Feinde der USA und Israels weltweit hegt.
Ein Premier Corbyn wäre im Nato-Rahmen und für das britische Sicherheitsestablishment ein Alptraum. Die Frage, ob ein ehemaliges Objekt geheimdienstlicher Überwachung als Regierungschef Zugang zu allen Informationen der Geheimdienste bekäme, ist nicht leicht zu beantworten.
Johnson hingegen stünde für die Westbindung und für sicherheitspolitische Kontinuität. Bisher geht das britische Verteidigungsestablishment davon aus, dass er die Wahlen gewinnt.
Auf die Frage nach einem möglichen Corbyn-Wahlsieg flötet ein hoher Beamter des Verteidigungsministeriums so deutlich, wie man als hoher Beamter „so ein Blödsinn“ sagen kann: „Ich bin mir nicht sicher, dass auf eine solche Eventualität umfassende Vorbereitungen getroffen worden sind.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit