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Wahlkampf in GroßbritannienTrump als Störfaktor

Beim Nato-Gipfel muss sich Boris Johnson mit Donald Trump zeigen. Dabei wirft ihm die Opposition ohnehin zu viel Nähe zum US-Präsidenten vor.

Er werde sich aus Großbritanniens Wahl heraushalten, hatte Trump am Dienstag versichert Foto: ap/Francisco Seco

LONDON taz | Für Boris Johnson kommt das Nato-Gipfeltreffen zur Unzeit. Nicht nur muss der britische Premierminister eine gute Woche vor den Wahlen unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit ausländischen Politikern reden statt mit den eigenen Wählern. Er muss auch ausgerechnet in einem Wahlkampf, in dem die Labour-Opposition pausenlos die vermeintliche Nähe zwischen Johnson und Donald Trump anprangert, den US-Präsidenten empfangen. Der blickt dann vor 10 Downing Street grimmig und herausfordernd in die Kameras, als käme er zur Inspektion vorbei.

Er werde sich aus Großbritanniens Wahlen heraushalten, versicherte Trump am Dienstagmorgen vor Journalisten in der US-Botschaftsresidenz in London – „aber Boris ist sehr fähig und ich denke, er wird einen guten Job machen“. Er selbst sei schon immer ein Fan des Brexit gewesen, fügte Trump hinzu.

Den Labour-Vorwurf, wonach Johnson nach dem Brexit den Ausverkauf des staatlichen britischen Gesundheitsdienstes NHS an US-Firmen plane, schmetterte Trump ab: „Wir würden das nicht haben wollen, selbst wenn ihr es uns auf dem Silbertablett anbieten würdet.“

Das dürfte kaum ausreichen, um Trump aus dem Wahlkampf zu nehmen. Labour operiert zwar in einer relativ faktenfreien Zone: Aus angeblichen Geheimdokumenten über britisch-amerikanische Handelsgespräche konstruiert Jeremy Corbyn die Behauptung, Johnson wolle den NHS „an die Amerikaner verkaufen“.

Wahlkampthema Gesundheitsdienst NHS

Doch die Protokolle von Gesprächen auf unterster Referentenebene aus dem Jahr 2017 über die möglichen Rahmenbedingungen zukünftiger Handelsgespräche haben weder etwas mit Johnson zu tun, noch stützen sie die Labour-These. Denn aus ihnen geht hervor, dass der NHS kein Thema sei.

Doch was in der Öffentlichkeit hängenbleibt, ist, dass Corbyn teilgeschwärzte Papiere in die Kameras hält und Johnson sich dazu verhalten muss. Der Premier mag ständig betonen, der NHS stehe nicht zur Disposition – dann kontert Labour, man könne ihm nicht trauen.

Corbyn wiederum hat das Problem, dass er die Nato am liebsten abschaffen würde, für eine Annäherung an Russland plädiert und Sympathien für alle Feinde der USA und Israels weltweit hegt.

Ein Premier Corbyn wäre im Nato-Rahmen und für das britische Sicherheits­establishment ein Alptraum. Die Frage, ob ein ehemaliges Objekt geheimdienstlicher Überwachung als Regierungschef Zugang zu allen Informationen der Geheimdienste bekäme, ist nicht leicht zu beantworten.

Johnson hingegen stünde für die Westbindung und für sicherheitspolitische Kontinuität. Bisher geht das britische Verteidigungsestablishment davon aus, dass er die Wahlen gewinnt.

Auf die Frage nach einem möglichen Corbyn-Wahlsieg flötet ein hoher Beamter des Verteidigungsministeriums so deutlich, wie man als hoher Beamter „so ein Blödsinn“ sagen kann: „Ich bin mir nicht sicher, dass auf eine solche Eventualität umfassende Vorbereitungen getroffen worden sind.“

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3 Kommentare

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  • 2G
    2422 (Profil gelöscht)

    Nicht das erste Mal, das Dominic Johnson für seinen Namensvetter Reklame macht. Warum soll ich eigentlich für die TAZ was zahlen?

  • G
    Gast

    Dominic Johnson schreibt: "Er (Boris Johnson) muss auch ausgerechnet in einem Wahlkampf, in dem die Labour-Opposition pausenlos die vermeintliche Nähe zwischen Johnson und Donald Trump anprangert, den US-Präsidenten empfangen."



    "vermeintlich" heisst laut Duden: irrtümlich, fälschlich vermutet, angenommen; scheinbar.



    Wer sich die Interaktion zwischen Johnson und Trump in den letzten Monaten ansieht, kann sicher davon ausgehen, dass es eine tatsächliche Nähe zwischen den beiden Politikern gibt und diese nicht von Labour für den Wahlkampf erfunden wurde.

    Zu den erwähnten Protokollen über einen möglichen Wirtschaftsdeal zwischen den USA und Grossbritannien war im "Guardian" zu lesen, dass der NHS zwar nicht erwähnt wird, jedoch war die Öffnung des britischen Marktes für die US Pharmaindustrie ein wichtiges Thema in den Verhandlungen. Und Pharma geht in Grossbritannien nun mal nicht ohne den NHS. Die Behauptung, der NHS wäre kein Thema in den Verhandlungen, halte ich somit für irreführend. Ich verstehe nicht, wie der Autor zu dieser Einschätzung kommt und ob er sie belegen kann.

    Die Ideen, die Labour in ihrem neuen Manifest vorgestellt haben, finden in der TAZ leider bei keinem der drei Insel-Korrespondenten nennenswerte Erwähnung. Dabei finden sich dort viele Ansätze für eine Transformation der Gesellschaft, hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit und einer umweltbewussteren Wirtschaftsform, die für uns dringend benötigte Diskussionen anstoßen könnten. Diese grundlegenden Visionen bieten derzeit leider keine der in Deutschland zur Wahl stehenden Parteien.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Zitat "" Das dürfte kaum ausreichen, um Trump aus dem Wahlkampf zu nehmen. Labour operiert zwar in einer

    """relativ faktenfreien Zone:""(?)

    Aus angeblichen Geheimdokumenten über britisch-amerikanische Handelsgespräche konstruiert Jeremy Corbyn die Behauptung, Johnson wolle den NHS „an die Amerikaner verkaufen“.

    ===

    Das Hospital Corporation of America (HCA) arbeitet seit 2006 mit der NHS zusammen. Die Firma hat das so genannte HCA NHS Ventures gegründet, eine Partnerschaft mit NHS-Trusts, um Krankenhäuser zu entwickeln und alte umzugestalten. Obwohl diese Einrichtungen Teil des NHS sind, dienen sie nur

    Privatpatienten.

    HC of Ameria hat im Rahmen der Partnerschaft mehrere hochmoderne Krebskrankenhäuser errichtet. Während Immobilienverkaufsgeschäfte normalerweise nicht Teil der NHS-Behandlung sind, kann die Harley Street am University College London damit aufwarten, dass die Krebsstation einen „atemberaubenden Panoramablick über London“ bietet. Das Unternehmen unterhält außerdem eine Reihe von ausschließlich

    privaten Krankenhäusern

    in London. HCA ist mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 28 Mrd. USD als eines der größten Unternehmen für Gesundheitseinrichtungen in den USA bekannt. Der britische Zweig des Unternehmens ist Teil der privaten Hospitals Alliance, einer Lobbygruppe,



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    die die Rolle der Beteiligung privater Unternehmen an NHS-Diensten unterstützt und forciert.



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    (Jeremy Hunt hat in seiner Zeit als Gesundheitsminister die Türen der NHS gesetzlich für diese Art von Einflussnahmen weit geöffnet)

    Wer die Brexit Schmierenkampagne von Farage und Johnson nur mit einem halb geöffneten Auge verfolgt hat muß mit einem Klammerbeutel gepudert sein, wenn er jetzt der dümmlich daher kommenden Behauptung Johnsons Glauben schenkt das Johnson nicht vorhabe, weitere Teile des NHS zu verhökern.