Wahlen in Ungarn: Fußballmatch auf abschüssigem Feld
Ungarns Premier Viktor Orbán beeinflusst Justiz und Presse. Zu den Wahlen am Sonntag schickt die OSZE erstmals in der EU eine große Beobachtermission.
Das fürstliche Anwesen, das sich einst Erzherzog Joseph erbauen ließ, gehört heute offiziell Győző Orbán, dem Vater des selbstherrlichen Premierministers. Die oppositionelle Presse vergleicht es mit dem gigantischen Alterssitz, den sich Wladimir Putin am Schwarzen Meer bauen ließ, und mutmaßt, dass es in Wahrheit dem Premier gehört, der laut Vermögenserklärung fast mittellos ist.
Die Korruption, die Leuten im Umfeld von Orbán über Nacht unermesslichen Reichtum bescherte, war das zentrale Thema der zur Allianz zusammengeschlossenen sechs Oppositionsparteien, die erstmals mit einem gemeinsamen Kandidaten antreten. Eine der ersten Maßnahmen, die der konservative Bürgermeister der südostungarischen Provinzstadt Hódmezővásárhely im Falle eines Sieges verspricht, ist der Beitritt Ungarns zur europäischen Staatsanwaltschaft.
Orbán hat als Generalstaatsanwalt einen Parteigenossen installiert, der verlässlich alle Untersuchungen gegen die Familie Orbán oder Funktionäre der Regierungspartei Fidesz niedergeschlagen hat. So auch von der EU-Betrugsbehörde OLAF angestoßene Ermittlungen gegen Orbáns Schwiegersohn István Tiborcz wegen eines Skandals um die Installation von Straßenbeleuchtung. „Fidesz hat per Gesetz dafür gesorgt, dass der Generalstaatsanwalt mit Zweidrittelmehrheit bestellt wird“, sagt Gabriella Nagy von der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International: „Wenn es für seine Nachfolge keine Zweidrittelmehrheit gibt, wird seine Amtszeit auf Lebenszeit verlängert.“ Selbst wenn die Opposition an die Macht kommen sollte, werden Orbáns Leute den Ton angeben.
Die Opposition vergleicht den Wahlkampf gerne mit einem Fußballmatch, bei dem ihre Mannschaft bergauf spielen muss. Orbán kontrolliert 80 Prozent der Medien. Márki-Zay hat im öffentlich-rechtlichen Fernsehen knappe fünf Minuten bekommen, um seine Positionen darzustellen. Die restliche Zeit läuft Regierungspropaganda.
Orbán gibt sich als Putin-freundlicher Vermittler
Orbán hat es verstanden, den Ukrainekrieg zu seinen Gunsten zu vermarkten. Er positioniert den Nato-Mitgliedsstaat als neutral und lässt keine Waffenlieferungen über sein Territorium zu. Der deklarierte Putin-Freund präsentiert sich als Vermittler und starker Mann, der Ungarn den Frieden erhält: „Bewahren wir Ungarns Frieden und Sicherheit!“, fordert ein neues Plakat, auf dem Orbán mit Sorgenfalten in die Ferne blickt. Die Regierungspresse berichtet über den Konflikt durch Putins Brille. Der Opposition, die klar auf Seiten der Ukraine steht, wirft sie vor, Ungarns Soldaten in den Tod schicken zu wollen. Die Betreuung von Flüchtlingen wird der Zivilgesellschaft und den Kommunen überlassen.
Auch in Brüssel beobachtet man die Wahlen in Ungarn sorgenvoll. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat die Wahlen 2018, die Orbán mit knapp 50 Prozent der Stimmen eine Zweidrittelmehrheit brachten, als „frei, aber nicht fair“ klassifiziert. Erstmals in einem EU-Land schickt sie nun eine große Beobachtermission. Das unebene Spielfeld wird sie nicht begradigen können.
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