Wahlen in Somalia: Die Blase von Mogadischu
Seit Jahrzehnten befindet sich Somalia im Klammergriff eines Clansystems. Ist es da nicht völlig egal, wer das Land regiert? Nicht ganz.
Unterstützerinnen des alten und neuen Präsidenten in Mogadischu Foto: Said Yusuf Warsame/EPA
Somalia gilt als gescheiterter Staat, seit mehr als dreißig Jahren. Die einzigen funktionierenden staatlichen Strukturen sind die, die sich von der Zentralmacht in der Hauptstadt Mogadischu losgesagt haben. Dort residieren die staatlichen Institutionen in einer von ausländischen Truppen geschützten Blase, die stärker noch als die früheren Grünen Zonen von Bagdad und Kabul vom Rest des Landes militärisch abgeschottet und politisch entrückt ist. Der Präsident ist indirekt gewählt, durch Parlamentarier, die ihrerseits indirekt gewählt sind – ein Clansystem, das mit Demokratie im eigentlichen Sinne nichts zu tun hat. Ist es also nicht völlig egal, wer in dieser Blase von Mogadischu das Amt des Präsidenten ausübt?
Nicht ganz. Somalias Präsident ist international anerkannt und damit für den Rest der Welt der erste somalische Gesprächspartner. Die meisten Menschen in Somalia mögen ihn nie zu Gesicht bekommen, aber er unterschreibt in ihrem Namen Verträge, handelt Abkommen aus, klärt die Modalitäten des Einsatzes ausländischer Eingreiftruppen und – am wichtigsten – nimmt internationale Finanzhilfen entgegen. Man kann als somalischer Präsident in einem gescheiterten Staat nicht viel Gutes tun, aber man kann sehr viel Schaden anrichten.
Deswegen ist es durchaus von Bedeutung, dass der bisherige Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt „Farmaajo“, am Sonntag mit seinem Versuch der Wiederwahl gescheitert ist. Sein Nachfolger ist zwar sein Vorgänger – Somalias Politik dreht sich im wahrsten Sinne des Wortes im Kreis. Aber das sorgt immerhin dafür, dass die unterschiedlichen Interessengruppen sich an der Macht abwechseln. Solange alle dabei mitspielen, ist immerhin das Risiko einer Rückkehr zum Bürgerkrieg reduziert. Das war in den vergangenen Monaten, als die Wahl sich ein ums andere Mal verzögerte und „Farmaajo“ an der Macht zu kleben schien, immer weiter gewachsen.
Von einer Rückkehr zur traditionellen Staatlichkeit mag Somalia nach dieser Wahl genauso weit entfernt sein wie vorher. Aber wahrscheinlich ist diese Rückkehr nach dreißig Jahren weder möglich noch wünschenswert.
Wahlen in Somalia: Die Blase von Mogadischu
Seit Jahrzehnten befindet sich Somalia im Klammergriff eines Clansystems. Ist es da nicht völlig egal, wer das Land regiert? Nicht ganz.
Unterstützerinnen des alten und neuen Präsidenten in Mogadischu Foto: Said Yusuf Warsame/EPA
Somalia gilt als gescheiterter Staat, seit mehr als dreißig Jahren. Die einzigen funktionierenden staatlichen Strukturen sind die, die sich von der Zentralmacht in der Hauptstadt Mogadischu losgesagt haben. Dort residieren die staatlichen Institutionen in einer von ausländischen Truppen geschützten Blase, die stärker noch als die früheren Grünen Zonen von Bagdad und Kabul vom Rest des Landes militärisch abgeschottet und politisch entrückt ist. Der Präsident ist indirekt gewählt, durch Parlamentarier, die ihrerseits indirekt gewählt sind – ein Clansystem, das mit Demokratie im eigentlichen Sinne nichts zu tun hat. Ist es also nicht völlig egal, wer in dieser Blase von Mogadischu das Amt des Präsidenten ausübt?
Nicht ganz. Somalias Präsident ist international anerkannt und damit für den Rest der Welt der erste somalische Gesprächspartner. Die meisten Menschen in Somalia mögen ihn nie zu Gesicht bekommen, aber er unterschreibt in ihrem Namen Verträge, handelt Abkommen aus, klärt die Modalitäten des Einsatzes ausländischer Eingreiftruppen und – am wichtigsten – nimmt internationale Finanzhilfen entgegen. Man kann als somalischer Präsident in einem gescheiterten Staat nicht viel Gutes tun, aber man kann sehr viel Schaden anrichten.
Deswegen ist es durchaus von Bedeutung, dass der bisherige Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt „Farmaajo“, am Sonntag mit seinem Versuch der Wiederwahl gescheitert ist. Sein Nachfolger ist zwar sein Vorgänger – Somalias Politik dreht sich im wahrsten Sinne des Wortes im Kreis. Aber das sorgt immerhin dafür, dass die unterschiedlichen Interessengruppen sich an der Macht abwechseln. Solange alle dabei mitspielen, ist immerhin das Risiko einer Rückkehr zum Bürgerkrieg reduziert. Das war in den vergangenen Monaten, als die Wahl sich ein ums andere Mal verzögerte und „Farmaajo“ an der Macht zu kleben schien, immer weiter gewachsen.
Von einer Rückkehr zur traditionellen Staatlichkeit mag Somalia nach dieser Wahl genauso weit entfernt sein wie vorher. Aber wahrscheinlich ist diese Rückkehr nach dreißig Jahren weder möglich noch wünschenswert.
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Kommentar von
Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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