Wahlen in Hessen und Bayern: Obergrenze bei Landtagswahlen!
Ein ewiger Wahlkampf geht endlich zu Ende, am Sonntag wählen Hessen und Bayern. Sollten wir seltener wählen?
A m Sonntag, Punkt 18 Uhr, werden wir erlöst. Dann tritt Jörg Schönenborn vor die Kameras und präsentiert uns die Prognosen der Landtagswahlen in Hessen und Bayern. Und dann ist er endlich vorbei, dieser ewige, verfluchte Wahlkampf.
Alle paar Monate und immer wieder sonntags präsentiert Schönenborn den deutschen Zuschauern die Zahlen irgendwelcher Landtagswahlen. Er wischt dann auf seinem Bildschirm rum, und seine Stimme vermittelt uns, den Zuschauern, das Gefühl, dass alles seine Ordnung hat, selbst wenn der blaue Balken wächst und wächst. Es ist wohl nicht blasphemisch zu behaupten: Für Menschen, die am Vormittag nicht in die Kirche gegangen sind, ist Schönenborn ein öffentlich-rechtlicher Pastor.
Trotzdem wäre es besser für alle, wenn wir ihn seltener sehen würden. Lieber Jörg Schönenborn, es liegt nicht an Ihnen. Diese ständigen Landtagswahlen, vor allem die Wahlkämpfe davor, tun den Deutschen nicht gut, sie machen verrückt. Und deshalb sollte man sie abschaffen.
Gerade muss Deutschland über Asylrechtsverschärfungen diskutieren und gibt wohl vor allem wegen der anstehenden Landtagswahlen dem Druck der rechten Regierungen Europas nach. Es werden die unsinnigsten Forderungen aufgestellt und Verordnungen erlassen, um politische Handlungsfähigkeit zu simulieren. Als würde ein Mensch weniger in Boote steigen, wenn es in Deutschland nur noch Gutscheine gibt. Als würde ein Mensch weniger Asyl beantragen wegen „flexibler Grenzkontrollen“, die Innenministerin Nancy Faeser nun in einem Akt wahlkämpfender Verzweiflung angekündigt hat.
Keine Obergrenze für Bullshit
Es scheint keine Obergrenze zu geben für Bullshit. Zeitung lesende, Radio hörende und fernsehende Menschen in Berlin, Kiel oder Dortmund werden seit Monaten damit gequält, welche Veganer-Witze Markus Söder im Bierzelt erzählt. Nur weil sich irgendwelche Konservativen in Hintertupfing am Lech nicht entscheiden können, welche von drei rechten Parteien sie wählen wollen. Und weil eine überforderte Innenministerin gern überforderte Ministerpräsidentin von Hessen werden will.
Dabei bleibt, wenn man auf die letzten Umfragen schaut, vermutlich in beiden Bundesländern alles, wie es ist. Beide Regierungen können voraussichtlich ihre Arbeit fortsetzen. Denn Wählerinnen wissen durchaus, was der Unterschied zwischen Wiesbaden, Berlin und München ist, also zwischen Bundes- und Landespolitik. Sie entscheiden noch stärker nach Personal und neigen dazu, Amtsinhaber wiederzuwählen.
All die Aufregung, all der Wahnsinn also umsonst.
Ich fürchte, Jörg Schönenborn wird uns nur für einen Moment erlösen. Schon ein paar Minuten nach 18 Uhr werden aufgeregte Kollegen fragen, was denn nun das schlechte Abschneiden der SPD in beiden Ländern „für den Bundestrend“ bedeutet (nichts), und die Frage stellen, ob der Kanzler „jetzt handeln muss“ (nein). Und dann freuen wir uns schon auf die Fortsetzung im nächsten Jahr, auf die Wahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen.
Nun ist der Föderalismus angeblich ein hohes Gut, wie man pflichtschuldig sagt. Aber selbst wenn man die Frage beiseite lässt, weshalb es 16 Landesparlamente braucht, die an der Schulpolitik herumdilettieren und alle paar Jahre eine neue Polizeiuniform vorstellen, wäre es besser, wenn die Landtagswahlen in Zukunft zumindest gleichzeitig stattfinden würden. Am besten parallel zur Bundestagswahl. Dann könnten gewählte Vertreter vier Jahre lang machen, wofür sie gewählt wurden.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Und Jörg Schönenborn findet bestimmt einen neuen Job, vielleicht sonntagmorgens, in der Kirche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid