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Wahlen in GroßbritannienStarke Verluste für Boris Johnson

Die Ergebnisse der Konservativen brechen ein, Liberale und Grüne profitieren. Die Labour-Partei ist weniger erfolgreich als von vielen erwartet.

Nicht so zufrieden: Boris Johnson Foto: rtr

London taz | Boris Johnsons Konservative haben bei den britischen Kommunalwahlen vom Donnerstag landesweit starke Verluste verzeichnet. Tory-Bastionen wie die Londoner Bezirke Wandsworth, Westminster und Barnet fielen ebenso an die Labour-Opposition wie Rossendale in Lincolnshire, die südenglischen Städte Worthing, Crawley und Southampton, Cumberland im Norden und Monmouthshire in Wales.

In Schottland wurde Labour die stärkste Oppositionskraft zur dominierenden SNP (Schottische Nationalpartei), die selbst zulegte und nun volle Kraft voraus in Richtung eines zweiten Unabhängigkeitsreferendums 2023 steuern will.

In England triumphierte aber an erster Stelle nicht Labour. Die Liberaldemokraten konnten in Wokingham, in Tunbridge Wells, in der Heimat des Ex-Premiers David Cameron in West-Oxfordshire sowie im ländlichen südwestenglischen Somerset stärkste Kraft werden. Diese Siege folgen dem Trend von Nachwahlen im letzten Jahr. Relativ gesehen legten die Grünen am stärksten zu. Sie konnten die Anzahl ihrer Sitze mehr als verdoppeln.

Konservative Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­r:in­nen begründeten die Verluste mit dem gesunkenen Ansehen ihrer Partei aufgrund von Partygate und unzureichenden Maßnahmen gegen den rapiden Anstieg der Lebenshaltungskosten. Manche wie der Parteiführer in Carlisle im Norden Englands empfahlen Johnsons Rücktritt.

In einigen Brexit-Hochburgen legten die Konservativen zu

Premierminister Boris Johnson bezeichnete die Ergebnisse als „schwer“, jedoch mit „gemischten Resultaten“. Labour hat nämlich längst nicht so gut abgeschnitten, wie es nötig wäre, um jetzt als Favorit in die nächsten Parlamentswahlen 2024 zu gehen. Nicht nur holte Labour verlorene ehemalige Hochburgen nicht zurück.

In Hartlepool, vor genau einem Jahr Ort eines spektakulären konservativen Nachwahlsiegs, legten die Tories sogar noch zu, und in London verlor Labour den Bezirk Harrow an die Konservativen, die sich auch im Bezirk Hillingdon, der Teile von Boris Johnsons Wahlkreis umfasst, locker behaupteten. Außerdem besiegten die Tories Labour in den nordenglischen Städten Barnsley und Bolton, in Südostengland in Thurrock und Basildon – alles Brexit-Hochburgen mit schlechter sozialer Situation.

Eine erstaunliche Entwicklung gab es im verarmten Ostlondoner Kommunalstadtbezirk Tower Hamlets. Der im Jahr 2015 wegen Wahlmanipulation verurteilte ehemalige Bürgermeister Lutfur Rahman besiegte den bisherigen Labour-Bürgermeister John Biggs, und seine Partei Aspire wurde stärkste Kraft.

Rahman gehört zur bangladesch­stämmigen Bevölkerungsgruppe, der größten des Bezirks, und soll Stimmen dieser sowie somaliastämmiger Wäh­le­r:in­nen geholt haben, aber auch Stimmen aus der weißen Arbeiterklasse, die Labour Verkehrsberuhigungen übel nahmen.

Keir Starmers „Beergate“ trübt die Stimmung bei der Labour-Partei

Zwar gab sich Labour-Oppositionsführer Keir Starmer am Wochenende zuversichtlich, doch wurde die Stimmung in seiner Partei durch die Ankündigung getrübt, dass die Polizei in Durham im Nordosten Englands eine eigentlich abgeschlossene Ermittlung gegen ihn wegen Bruchs der Corona-Lockdownregeln im Mai 2021 wieder aufgenommen hat.

Nachdem Starmer immer wieder gefordert hatte, dass Boris Johnson wegen den Covid-Regelbrüchen in 10 Downing Street zurücktreten sollte, wittern nun nicht nur die Tories Morgenluft wegen „Beergate“, sondern auch Anhänger von Starmers Vorgänger Jeremy Corbyn.

Der Spieß könnte sich aber auch wieder rasch umdrehen, denn weitere Ergebnisse zu den Ermittlungen der Londoner Polizei bezüglich Partygate stehen bevor und damit mögliche weitere Bußgeldbescheide gegen Johnson. Am Dienstag wird der Premier bei der Eröffnung der neuen Sitzungsperiode des Parlaments über die traditionell von der Queen verlesene Regierungserklärung sein politisches Programm für das nächste Jahr vorstellen. Viele glauben, dass es hier zu Überraschungen kommen könnte.

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