Wahlen in Bosnien und Herzegowina: Umstrittenes Gesetz auf Eis gelegt
Das bosnische Wahlgesetz soll doch nicht nach den Forderungen kroatischer Nationalisten geändert werden – dank tagelanger Proteste.
Wollte er noch vor wenigen Tagen mittels seiner Sondervollmachten den Anliegen der kroatischen Nationalisten bei der Änderung des Wahlgesetzes und der Verfassung entgegenkommen, war jetzt nach tagelangen Protesten keine Rede mehr davon. Er kündigte lediglich technische Verbesserungen des Wahlprozesses an. Damit möchte er mehr Transparenz durchsetzen und Wahlmanipulationen verhindern.
Am 2. Oktober sollen in Bosnien allgemeine Wahlen stattfinden. Das sogenannte Transparenzpaket soll unter anderem die Zentrale Wahlkommission (CEC) bei ihrem Vorgehen gegen Wahlbetrug stärken und Hassreden im Wahlkampf verbieten. „Es garantiert freie und faire Wahlkämpfe und Wahlen“, erklärte Schmidt. Die politischen Parteien des Teilstaates bosniakisch-kroatische Föderation forderte er auf, in Bezug auf das Wahlgesetz und die Verfassungsänderungen selbst Kompromisse zu finden.
Ursprünglich plante Schmidt, eine Dreiprozenthürde für die Entsendung von Vertretern aus einem der zehn Kantone einzuführen. Wo eine der drei konstituierenden Bevölkerungsgruppen weniger als 3 Prozent ausmacht, sollte kein Vertreter mehr entsandt werden. Dadurch hätte sich die kroatisch-nationalistische HDZ, die diese Änderung seit Jahren fordert, mehr Sitze der Völkerkammer sichern können. De facto hätte dies zu einer weiteren ethnischen Teilung des zutiefst gespaltenen Landes geführt.
Gegen Trennung und Spaltung
Seit Beginn der Woche hatten Tausende Menschen in Sarajevo gegen die Pläne demonstriert. Auch in Europa und den USA protestierten namhafte Persönlichkeiten und Politiker, die für ein multinationales, demokratisches Bosnien und Herzegowina eintreten.
Diese Position zog Kreise bei den Parteien in Bosnien und Herzegowina. Das Parlament der bosniakisch-kroatischen Föderation verabschiedete am Mittwoch eine Deklaration, in der gefordert wird, die Multinationalität des Staates zu erhalten und jede weitere Trennung nach ethnischen Kriterien zu vermeiden: „Das Repräsentantenhaus des Parlaments der Föderation Bosnien und Herzegowina verurteilt die anhaltenden Tendenzen und politischen Vorschläge und Initiativen (…), die darauf abzielen, ein System der ethno-territorialen Vorherrschaft zu errichten.“
Der kroatische Regierungschef Andrej Plenković zeigte sich wie die bosnisch-kroatischen Nationalisten enttäuscht über Schmidt. Kroatische Medien versuchen die Proteste als „schrecklich“ zu diffamieren. Sie hoffen, dass Schmidt, falls keine Einigung zwischen den Parteien vor den Wahlen zustande kommt, doch noch ein Machtwort in ihrem Sinne sprechen wird. Nicht unwahrscheinlich, da eine solche Einigung auch an der HDZ hängt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen