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Wahlen in BolivienErfolgsmodell Evo Morales

Der erste indigene Präsident des Landes sieht seiner dritten Amtszeit entgegen. Hintergrund des Erfolgs: Politische, soziale und wirtschaftliche Stabilität.

Treue Gefolgschaft: Morales-Anhänger bei der Abschlusskundgebung am Mittwoch in El Alto. Bild: AP

BUENOS AIRES taz | Boliviens Präsident Evo Morales steht vor der Wiederwahl. Bereits seit Monaten lassen die Umfragen keinen Zweifel daran zu, dass der 54-Jährige am kommenden Sonntag zum dritten Mal in Folge die Präsidentschaftswahl gewinnt. Morales wird ein Stimmanteil von knapp 60 Prozent vorhergesagt.

Ein solches Ergebnis liegt für den ehemaligen Kokabauern im gewohnten Bereich: 2005 gewann er mit 54 Prozent, 2009 sogar mit 64 Prozent. „Für mich ist es leicht, Wahlen zu gewinnen,“ gibt sich Morales gelassen. Sein Trumpf ist die Stabilität im Land. „Die soziale Stabilität erlaubte die politische Stabilität und dazu kommt die Wirtschaft,“ so das Fazit seiner bisherigen acht Jahre Amtszeit.

Der 54-jährige Aymara verdankt seine breite Unterstützung vor allem seiner von Beginn an verfochtenen Nationalisierungspolitik bei der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Damit erhöhte er den Anteil der Staatseinnahmen am Erdgasexport deutlich und verschaffte sich finanziellen Spielraum für breit angelegte Sozialprogramme. „Wir haben den Anteil der Armen von 38 Prozent auf 18 Prozent gesenkt und die Arbeitslosigkeit von rund neun Prozent auf drei.“ Das seien die Früchte eines langen Kampfes gegen Kolonialismus und Neoliberalismus, resümiert er.

Dass dies kein reines Wahlkampfgeklingel ist, bescheinigte ihm ausgerechnet der Internationale Währungsfonds in einer vor wenigen Tagen vorgestellten Studie zu den Globalen Perspektiven. Nach der IWF-Ansicht ist Bolivien neben Kolumbien das wirtschaftlich erfolgreichste Land in der südamerikanischen Region. 5,2 Prozent werde das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr wachsen und für 2015 werden weitere fünf Prozent Wachstum vorhergesagt. Die Inflation werde sich mit 6 Prozent in guten Grenzen halten, nur bei der Arbeitslosigkeit liegt die Prognose mit knapp über 6 Prozent über der von Morales.

Wichtigster Gegenkandidat weit abgeschlagen

Bei solchen Erfolgsaussichten hat es die Opposition schwer zu punkten. In den Umfragen dümpelt denn auch der Unternehmer Samuel Doria Medina mit etwa 18 Prozent Stimmanteil auf dem zweiten Platz hinterher. Doch der 55-jährige Medina hatte bereits bei der Wahl 2009 mit einem Stimmenfang von gerademal 11 Prozent nicht den Hauch einer Chance. Mit harscher Kritik an der Gesundheits- und Bildungspolitik sowie dem klassischen rechten Thema der inneren Sicherheit versuchte er dennoch am positiven Image des Präsidenten zu kratzen.

Einen Achtungserfolg könnte Medina in den drei Provinzen Beni, Pando und Santa Cruz erringen. Dort, im östlichen Tiefland, hatte der konservative Widerstand gegen Evo Morales Bolivien im September 2008 noch an den Rand eines Bürgerkriegs geführt. Aufruhr und Abspaltungstendenzen sorgen jedoch schon lange nicht mehr für Schlagzeilen.

Wenig Gefahr droht Morales auch vom grünen Kandidaten Fernando Vargas, dem in den Umfragen Letztplatzierten der insgesamt fünf Kandidaten. Der 50-jährige Indígena musste gerade einräumen, dass er nicht einmal in seiner Heimatbezirk Tipnis mit einer Stimmenmehrheit rechnet. Tipnis steht symbolisch für den ambivalenten Umgang mit der Natur durch die Regierung und ihrer konsequente Politik der Ausbeutung der Bodenschätze.

Nach wie vor steht die Regierung von Präsident Morales zum Bau einer Landstraße durch den Indígena-Nationalpark Isiboro-Sécure (Tipnis). Daran änderte auch der brutale Polizeieinsatz gegen einen Protestmarsch der indigenen Bevölkerung vor gut zwei Jahren nichts. Mit billigen Geschenken habe die Regierung den Widerstand der indigenen Gemeinschaften gespalten, so Vargas. „Aber hier ist nicht wichtig, wer gewinnt oder verliert. Auf dem Spiel steht das Schicksal des Nationalparks in Anbetracht der Zusammenstöße, die nach der Wahl kommen werden und die mit mehr Gewalt weiter gehen,“ sagt Vargas.

Sollte der Morales zum dritten Mal gewinnen, dann könnte er mit 12 Jahren Regentschaft den bisherigen Rekord seines Vorgängers aus dem 19. Jahrhundert übertreffen. Andrés de Santa Cruz regierte von 1829 bis1839 nur neun Jahre und 10 Monate. Seine drei direkten Vorgänger schafften dagegen nicht eine volle Amtszeit.

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2 Kommentare

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  • Am 2. Oktober 2014 hat Evo Morales angekündigt, das Departamento La Paz werde zum Zentrum der Entwicklung der Kernenergie. Dies sei Teil der Stategie, Bolivien zur "Energiezentrale Südamerikas" zu machen. Über 2 Milliarden USD sollen bis 2025 investiert werden, um eine "energetische Revolution zu finanzieren, die Bolivien zur Energiezentrale der Region macht". --- "Der beste Weg, uns zu befreien, ist, auch die Kernenergie zu friedlichen Zwecken zu nutzen."

     

    Bereits im Januar 2014 hatte Präsident Evo Morales Pläne zum Bau des ersten Atomkraftwerkes des Landes angekündigt. Argentinien, Frankreich und Iran hätten Unterstützung für das Projekt zugesagt.

     

    Marcelino Quispe, Präsident der Corporación Minera de Bolivia (Comibol), hatte am 26 September 2014 mitgeteilt, eine vorläufige Studie habe im Nordosten des Departamento Santa Cruz Uranvorkommen festgestellt. "Comibol" habe bereits Gespräche mit Russland und Frankreich eingeleitet, um Investitionen anzuziehen und ein Verfahren zur Exploration auszuarbeiten, obwohl die Uranmenge noch unbekannt sei.

    • @Reinhold Schramm:

      Vielen Dank, Herr Schramm, für diesen wichtigen Hinweis. Das erklärt, wieso der perverse, mafiagesteuerte IWF (mit Frau Christine Lagarde als zugleich IWF-Chefin und Profitwunschempfängerin der massenmörderischen französischen Atomfirma Cogema) nicht nur das mafiaverseuchte Kolumbien hätschelt, sondern eben auch Bolivien und Evo Morales. Pfui Deibel. Das ist das genaue Gegenteil "eines langen Kampfes gegen Kolonialismus und Neoliberalismus". Wann wird sich endlich auch die taz mal ernsthaft mit Wahlrecht befassen und erkennen, dass ein solches ohne Wahl-FREIHEIT (d.h. gemäß dem spalterischen "one man/person - one vote", also ohne Stimmbefugnis zu JEDER Bewerbung) und ohne NEIN-Stimmbefugnis gar keine Demokratie ERMÖGLICHT, sondern stattdessen übelste populistische Ochlokratie ? Herr Jürgen Vogt zitiert in seinem taz-Artikel doch selber Fernando Vargas, indem er schreibt: "Mit billigen Geschenken habe die Regierung den Widerstand der indigenen Gemeinschaften gespalten". Da ist doch die jahrhundertealte Praxis des SPALTENS ("divide et impera", "spalte/teile und herrsche") schon angesprochen. Warum das also nicht endlich auch betr. Wahlrecht thematisieren? In den USA wurde deswegen schon 1976 das Wahlrecht "approval voting" erfunden, um endlich vom perversen angelsächsischen "Witz-Wahlrecht" (Nick Clegg zum Referendum am 5.05.2011) wegzukommen. Zwar fehlen bei "approval-voting" zwei Ideen, aber es ist wenigstens kein spalterisches "Witz-Wahlrecht", das übrigens in Liberia einen etwa 14-jährigen Bürgerkrieg (von 1989 mit kurzer Unterbrechung bis 2003) VERURSACHTE. Klar, das waren doch "nur schwarzhäutige" Menschen (tot sind sie trotzdem). Das ist alles andere als Demokratie.