Wahlen in Angola: Alte Befreiungsbewegung siegt knapp

Mit nur noch 51 Prozent bleibt die MPLA unter Präsident João Lourenço in Angola an der Macht. Vor allem in der Hauptstadtregion verliert sie massiv.

Angolas Präsident winkt

Wiedergewählt, aber geschwächt: Angolas Präsident Joao Lourenco Foto: epa-efe

LUANDA taz | In Angola hat die seit der Unabhängigkeit 1975 regierende MPLA (Angolanische Volksbe­frei­ungs­be­we­gung) zwar die Wahlen vom vergangenen Dienstag gewonnen, aber diese Wahl wird in die Geschichtsbücher eingehen als diejenige, bei der die ehemalige Befreiungsbewegung ihre politische Hegemonie eingebüßt hat.

Die MPLA hat nach dem vorläufigen Ergebnis der Wahlkommission vom Sonntag die Wahlen mit nur noch 51,07 Prozent der Stimmen gewonnen, knapp vor der ehemaligen Rebellenbewegung Unita (Union für die Totale Unabhängigkeit Angolas), deren Wahlallianz 44,05 Prozent erreichte. 2017 hatte die MPLA noch 61 Prozent erzielt.

Insbesondere hat sich Angolas Hauptstadt Luanda, deren Großraum ein Drittel der 35 Millionen Einwohner des Landes vereint, jetzt massiv gegen die MPLA gewandt. Die Regierungspartei fiel hier auf 33 Prozent zurück, gegen 62 Prozent für die Unita.

Mit dem Fall der Hauptstadt an die Opposition reproduziert Angola einen Trend aus anderen Ländern der Region wie Südafrika und Simbabwe, wo die ­regierenden ehemaligen Befreiungsbewegungen zunehmend zu ländlichen Parteien werden, während die großen Städte mit ihrer größtenteils jungen, ­arbeitslosen und unzufriedenen Bevölkerung, die in ihrem Alltag wenig Aufstiegschancen und viel Korruption erlebt, ­Oppositionshochburgen werden.

Hoffnung auf das Parlament

Das Ergebnis hinterlasse Angola in einer „komplexen Situation“, sagt der Wahlanalayst Bruno Ferreira Costa. Soziologe Miguel de Barros meint: „Die Ergebnisse aus Luanda sind ein Zeichen der Mobilisierung der Jugend, die immer entschlossener erscheint, ihr Schicksal zu verändern.“

Rafael Marques de Morais, Leiter des Thinktanks Maka Angola, sagt: „Die Mehrheit der Menschen in und um die Hauptstadt haben einstimmig gesagt, dass sie bereit für den Wandel sind.“ Die MPLA habe ihre Macht behalten, „aber sie muss jetzt einsehen, dass ihre Zeit fast abgelaufen ist. Der Trend ist eindeutig und sie sollten sich auf 2027 vorbereiten und Zeit auf den Oppositionsbänken einplanen.“ Der wiedergewählte Präsident João Lourenço ist aus Sicht von Marques jetzt eine „lahme Ente“, und er erwartet ein ausgeglicheneres und repräsentativeres Parlament.

Von den 220 Parlamentssitzen hat die MPLA 124 gewonnen, 26 weniger als vor fünf Jahren. Die Unita legte um 37 auf 90 Sitze zu. Drei Kleinparteien erzielten jeweils zwei Sitze. „Damit haben die Wähler jetzt mehr Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen“, so Marques. „Das ist etwas Neues. Ein großer Sieg durch und für das Volk und ein großer Schritt auf dem Weg Angolas zu einer echten Demokratie in der Praxis, nicht nur auf dem Papier.“ Soziologe de Barros drückt die Hoffnung aus, das pluralistischere Parlament könnte jetzt eine „Überparteilichkeit des Staates“ schaffen und den Weg für freie Kommunalwahlen ebnen.

Parteilichkeit des Staatsapparates prägt Angola seit der Unabhängigkeit, als die damals sozialistische bewaffnete Befreiungsbewegung MPLA die Macht ergriff und das Land in einem Bürgerkrieg zwischen der von Kuba unterstützten MPLA-Regierung gegen die von Apartheid-Südafrika unterstützte Unita versank. Als dieser Krieg mit einer Unita-Niederlage zu Ende ging und 1992 Wahlen stattfanden, gewann die MPLA nach amtlichen Angaben mit 49,6 Prozent gegen 40,1 für die damals noch bewaffnete Unita. Letztere erkannte das Ergebnis nicht an und der Bürgerkrieg brach erneut für zehn Jahre aus.

Unita bestreitet das Wahlergebnis

Der damalige Staatschef José Eduardo dos Santos regierte Angola für die MPLA bis zu seinem Rücktritt zugunsten seines bisherigen Verteidigungsministers João Lourenço 2017. Lourenço hat seitdem der Korruption und damit der Dos-Santos-Familie den Kampf angesagt.

Lourencos Versprechen, Angola ein „Wirtschaftswunder“ zu bescheren, bleibe jedoch unerfüllt. Das liegt unter anderem an der Covid-19-Pandemie, der schwersten Dürre seit vier Jahrzehnten und den jahrelang sinkenden Ölpreisen.

„Gemessen an unseren Rohstoffen sind wir eines der reichsten Länder in Afrika, aber wir bleiben arm und arbeitslos, weil unsere Regierung unfähig ist“, sagt ein Bewohner Luandas, Derian Gonga. „Vielleicht kann eine neue Regierung die Lage retten.“

Das Wahlergebnis ist jedoch umstritten. Noch am Samstagabend drohten 5 der 16 Mitglieder der Wahlkommission, es nicht anzuerkennen, Abel Chivukuvuku, Nummer zwei der von Adalberto Costa Júnior angeführtern Unita-Wahlallianz, sagte, er habe andere Zahlen als die der Wahlkommission. Die Unita sagt, sie habe mehr Stimmen gewonnen als offiziell bestätigt. In einigen städtischen Gebieten gingen Jugendliche auf die Straße und warfen der Wahlkommission Fälschung vor. Doch laut Kommissionssprecher Lucas Quilondo waren bis Sonntag noch keine Einsprüche eingegangen.

Die Parteidifferenzen wurden am Sonntag ohnehin beiseitegelegt, weil die Nation ihren langjährigen Expräsidenten José Eduardo dos Santos zu Grabe trug. Dos Santos, der Angola von 1979 bis 2017 regierte, war im Juli im spanischen Exil nach einem Herzinfarkt gestorben; wochenlang gab es einen Rechtsstreit darum, ob er in seinem Heimatland beigesetzt wird oder nicht. Nachdem die Regierung sich durchgesetzt hatte, fand die Zeremonie am Sonntag in Luanda statt. Nach einer Trauerfeier im Zentrum der Hauptstadt, für die schwarze Flaggen gehisst wurden, trugen Soldaten den Sarg zur Beerdigung im kleinen Kreis. Es wäre Dos Santos’ 80. Geburtstag gewesen.

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