Wahlbeobachter (IV): Genau, Klaus-Rainer!
Wahlbeobachter (IV)
1 0. September, Bremer Marktplatz, 16:00 Uhr. Angesagt hat sich Oskar Lafontaine, der Partei- und Fraktionschef der Linken. Zunächst gibt es Musik. Zwei unterhalten sich am Rande: "Das ist ja schon wie bei den anderen." Gemeint sind Bühnenaufbau und Inszenierung.
Dann erscheinen die Bremer Kandidaten Agnes Alpers und Klaus-Rainer Rupp auf der Bühne. Ein wenig unvermittelt beginnen sie, sich zu interviewen. In atemberaubendem Tempo: Von "Bomben in Afghanistan" zum "Bremer Schulsystem" in unter zwei Minuten. Nur unterbrochen durch ein freundliches "Sag mal, Agnes…" oder ein charmantes "Genau, Klaus-Rainer!" Manch einer blickt verwirrt. Vielleicht hätte sich die Investition in einen Moderator gelohnt.
Mit 45 Minuten Verspätung ist es dann so weit: Oskar kommt tatsächlich. Im Schlepptau: Ein halbes Dutzend Parteiaktivisten, jeder bewaffnet mit einem Plakat. Darauf die Slogans, mit denen man um die Gunst der WählerInnen buhlt. "Reichtum für alle", "Hartz IV abwählen", "Mindestlohn jetzt"…
Die Spannung fehlt im Bundestagswahlkampf? Nicht mit taz bremen! Für uns beobachten politische Gegenspieler die Auftritte der Partei-Größen.
Diesmal lauscht Thomas Ehmke (SPD) dem Fraktions- und Parteichef von DIE LINKE, Oskar Lafontaine
Ehmke ist Mitglied der Bremischen Bürgerschaft und stellvertretender Landesvorsitzender der SPD
Lafontaine redet sich warm, geht hart mit Regierung, FDP, vor allem aber mit Bankern und Managern ins Gericht. Bisweilen ein wenig schlicht, aber der Applaus ist ihm sicher. Rhetorisch, das weiß man, kann er was. Einmal in Fahrt, verteilt er noch Schulnoten an die ZuhörerInnen. Auf die Frage, wer denn in Deutschland regiere, antwortet jemand übereifrig: "Merkel!""Falsch - ungenügend!" schallt es von der Bühne. Ein anderer versucht es mutig: "Das Kapital!" "Hier ist einer, der aufgepasst hat!", freut sich Oskar Lafontaine - und dreht noch eine Runde durch den Casino-Kapitalismus. Er weiß: Da geht noch was. "Professor Sinn, dieser Herold des Neoliberalismus!" ruft er in die Menge. Gelächter. Und Applaus. Fazit: Schade, dass die Darbietung des Vortrags viel besser war, als die politische Substanz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!