Koalition in Spanien: Mut und Ausdauer
Die Neuwahlen, das Erstarken der rechtsextremen Vox hätten Spanien erspart bleiben können. Jetzt muss das Linksbündnis auf vielen Ebenen liefern.
W ar das wirklich alles nötig? Das ist die Frage, die sich nach der überraschenden Einigung der sozialistischen PSOE unter dem geschäftsführenden Ministerpräsident Pedro Sánchez und dem Chef der linksalternativen Unidas Podemos (UP) vielen in Spanien aufdrängt.
Denn die Chance für eine solch fortschrittliche Koalition bestand bereits nach den Wahlen im April. Die beiden Parteien hatten damals zusammen sogar mehr Abgeordnete als jetzt. Doch sie ließen die Zeit verstreichen, stritten sich, anstatt sich zu einigen. Wirklich verhandelt wurde nie.
Sánchez blickte auf die Umfragen, die ihm irrtümlicherweise steigende Werte vorhersagten und provozierte die Neuwahlen vom vergangenen Sonntag. Der Frust bei der linken Wählerschaft war unübersehbar. Viele blieben den Urnen fern. Und was am schwersten wiegt: Es war eine zweite Chance für die rechtsextreme Vox, die im April erstmals ins Parlament eingezogen war und am vergangenen Sonntag sogar drittstärkste Partei wurde.
All das hätte den Spaniern erspart bleiben können. Doch fehlte es sowohl Sánchez als auch Iglesias an Weitsicht. Sie pokerten und verloren dabei Stimmen. Es reicht jetzt immer noch, aber leichter wird es nicht.
Echte Sozialpolitik und Handreichung an die Katalanen
Denn mittlerweile hat sich – nach der Verurteilung von neun Unabhängigkeitspolitikern und -aktivisten – der Katalonienkonflikt noch verschärft. Und wenn sich katalanische und baskische Parteien nicht zumindest enthalten, wird das Duo Sánchez/ Iglesias nicht ins Amt kommen.
Doch besser später als nie: Spanien braucht jetzt eine stabile Regierung, die auf die Katalanen zugeht, ihnen eine Lösung bietet. Nur so lässt sich der Teufelskreis, in dem sich der Konflikt seit über zwei Jahren bewegt, vielleicht doch noch auflösen. Und Spanien braucht auch – angesichts der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten – eine Sozialpolitik, die diesen Namen verdient.
Der soziale Kahlschlag, den die Konservativen bis 2018 im Auftrag Brüssels durchgezogen haben, muss rückgängig gemacht werden. Denn nur so wird es, sollte sich der wirtschaftliche Abwärtstrend verschärfen, die Opfer der letzten Krise nicht noch härter treffen.
Mut und Ausdauer ist mehr denn je gefragt, in einer Zeit, in der erstmals seit dem Übergang zur Demokratie in den 1970er Jahren die Anhänger der Franco- Diktatur wieder ihre Stimme aus dem Parlament heraus erheben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier