Neuwahl in Spanien: Ohne klare Mehrheiten
Bei den Neuwahlen geht Ministerpräsident Pedro Sánchez zwar als Sieger hervor. Eine Regierung zu bilden, dürfte diesmal aber noch schwieriger werden.
MADRID taz | Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez gewann am Sonntag mit 28 Prozent der Stimmen erneut die Wahlen. Das ist allerdings auch schon das Ende der guten Nachrichten für den Chef der Sozialistischen Spanischen Arbeiter Partei (PSOE). Denn Sánchez, der 2018 per Misstrauensvotum an die Macht kam und nach ersten Wahlen im vergangenen April keine Regierungsmehrheit zustande bekam, wird es dieses Mal noch schwerer fallen, eine Regierung zu bilden.
Seine Sozialisten verloren drei Sitze und stellen nur noch 120 der 350 Abgeordneten im neuen Parlament. Sie verloren gegenüber April 800.000 Stimmen. Der mögliche Regierungspartner, die linksalternative Unidas Podemos (UP), sackte gar von 42 auf 35 Sitze ab (12,8 Prozent) und erhielt 600.000 Stimmen weniger als noch im Frühjahr. Die Wähler bestraften die beiden Linksparteien dafür, dass sie nach den Aprilwahlen die Chance nicht nutzten, eine fortschrittliche Regierung zu bilden.
Die neue linke Kraft, Más País (MP), erzielte gerade einmal drei Sitze (2,3 Prozent) und kann damit diesen Frust nur bedingt kanalisieren. Die Unzufriedenheit ging stattdessen andere Wege. Die Wahlbeteiligung nahm um über 4 Prozentpunkte ab und erreichte knapp 70 Prozent.
Großer Gewinner der Wahl ist die rechtsextreme Partei Vox. Sie konnte am Sonntag ihre Fraktion mit 52 Sitzen (15,1 Prozent) mehr als verdoppeln und wurde drittstärkste Kraft. Auch die konservative, von Korruptionsskandalen geplagte Partido Popular (PP), die im April ihr historisch schlechtestes Ergebnis einfuhr, erholte sich deutlich: Statt 66 hat sie künftig 88 Vertreter (20,8 Prozent) im neuen Parlament und kommt damit auf Platz zwei.
Rücktritt nach Rechtsruck
Dennoch ist der Rechtsblock nicht in der Lage, eine Regierung zu stellen. Denn der Dritte im Bunde ist der große Verlierer des Abends. Die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) werden künftig nur noch mit 10 statt bisher 57 Abgeordneten vertreten sein (6,8 Prozent). Parteichef und -gründer Albert Rivera rief für Montag eine Dringlichkeitssitzung des Parteivorstandes ein. Dieser soll einen Sonderparteitag vorbereiten. Rivera wird wohl kaum an einem Rücktritt vorbeikommen.
Er hatte Cs aus der politischen Mitte nach rechts geführt und dafür gesorgt, dass Cs in mehreren Regionen und Städten mit den Konservativen und den Rechtsextremen gemeinsam regieren, anstatt als Zünglein an der Waage auch Bündnisse mit den Sozialisten in Erwägung zu ziehen. Während die Wähler am linken Rand der Cs zu Hause blieben, wanderten die am rechten Rand in Richtung PP und Vox ab.
Selbst die stärkste Partei aus dem katalanischen Unabhängigkeitslager, die Republikanische Linke (ERC), liegt mit 13 Abgeordneten vor Cs. Zusammen mit den Parteien Junts per Catalunya (8) und der antikapitalistischen CUP (2) summieren die Verfechter einer Loslösung Kataloniens von Spanien 23 statt bisher 22 Abgeordneten.
Sánchez braucht die Separatisten
Auch das wird Sánchez eine Regierungsbildung nicht erleichtern. Denn sollte er dieses Mal ein linkes Regierungsbündnis aushandeln, ist er zumindest auf die Enthaltung eines Teiles der katalanischen Separatisten angewiesen. Um ihre Unterstützung zu bekommen, müsste Madrid endlich mit Barcelona in einen Dialog eintreten.
„Ich würde nicht ruhig schlafen, hätte ich eine Koalition mit Unidas Podemos akzeptiert“
Noch in der Wahlnacht schickte UP-Chef Pablo Iglesias eine Nachricht an den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Pedro Sánchez. Einmal mehr bot er ihm an, Verhandlungen über eine Koalitionsregierung aufzunehmen. Sánchez schweigt dazu erst einmal. Bereits nach den Aprilwahlen wollte der Sozialist allein regieren und nur ein gemeinsames politisches Aktionsprogramm mit UP aushandeln.
„Ich würde nicht ruhig schlafen, hätte ich eine Koalition mit Unidas Podemos akzeptiert“, erklärte Sánchez, als sich die Linksalternativen nach Scheitern der Regierungsverhandlungen ihrer Stimme enthielten und ihm somit die Mehrheit verweigerten, was zu den gestrigen Neuwahlen führte. „Es schläft sich schlechter mit über 50 Abgeordneten der extremen Rechten als mit Ministern und Ministerinnen von Unidas Podemos“, schrieb Iglesias amWahlabend in seiner Nachricht.
Leser*innenkommentare
Sven Günther
Sánchez ist einfach ein Trottel.
Vorher hätte er mit Podemos (42) und seiner PSOE (123) zusammen 165 Mandate gehabt und es hätten nur noch 11 zur absoluten Mehrheit von 176 Mandaten gefehlt.
Jetzt reicht es nicht mal wenn PSOE (120), Podemos (35), Más País (3) und die linke katalanische ERC (13) zusammengehen würde (171).
Die Neuwahl hat überhaupt keine Verbesserung seiner Position gebracht und eine Regierungsbildung um einiges schwieriger gemacht.
Aber wie gut das Spanien keine Probleme hat, hüstel Rentensystem - Marea gris, 1/3 der Beschäftigten mit Befristung...
andresmus
@Sven Günther Meines Erachtens gibt es schon seit mehreren Wochen eine Einigung zwischen Sanchez und den PP. Es ging erstmal nur darum, Unidas zu kappen und den PP aufzubauen. Ich vermute, in einer Woche gibt es eine neue "GroKo". Fragen Sie aber nicht, wie in den nächsten vier Jahren Vox wachsen wird...
Sven Günther
@andresmus GroKo ist unrealistisch, ist mit dem Selbstverständnis beider Parteien aktuell unvereinbar.
Priest
@andresmus Eine "GroKo" aus PP und PSOE, um endlich die Katalonien-Krise zu lösen, vielleicht auf Druck wichtiger, europäischer Partner, wäre gar nicht so schlecht, aber irgendwie doch unwahrscheinlich.
Amnestie für die politischen Gefangenen und endlich ein Referendum, ob mit oder ohne Anpassung der vordemokratischen Verfassung von 1978.
nischu
@andresmus Eine spanische Groko halte ich für wenig wahrscheinlich. Die Fronten liegen so auseinander, wie etwa mit den katalanischen Freiheitskämpfern. Die Partei des politischen Gefangenen Junqueras ist durchaus verhandlungsfähig. Aus wahltaktischen Gründen hat sich Sánchez bisher dem Dialog verweigert. Nun muss er nehmen, was sich bietet. Unfassbar die die angeberische Haltung dieses Politikers, der immer noch glaubt, dass er es alleine richten kann. Treuherzig appellierte er gestern Abend an seine Gegner, ihn bei der Regierungsbildung zu unterstützen.