Wahlabend in Magdeburg: Samba in Sachsen-Anhalt
Da schmeckt die Bulette: In Magdeburg feiert die CDU ihren Ministerpräsidenten Reiner Haseloff. Er ist ganz klar der Sieger des Abends.
Es ist sein Triumph. Das Ergebnis, so viel ist schon nach den ersten Hochrechnungen klar, ist ein deutlicher Sieg für die Union. Zu Redaktionsschluss ist die CDU mit 36 Prozent die stärkste Kraft, Platz zwei holt die AfD mit rund 23, die Linke liegt mit rund 11 Prozent auf Platz drei. Die SPD landet mit unter 10 Prozent dahinter, die FDP (rund 7 Prozent) ist wohl zurück im Landtag, die Grünen schaffen nur etwa 6 Prozent.
„Wenn die Hochrechnungen so bleiben, dann hat der Wahlkampf sich doch gelohnt“, sagt Markus Kurze, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, mit breitem Grinsen. „Auch, dass wir uns so von Berlin abgesetzt haben.“
Was er meint: Die Landesunion hat sich in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Monaten von der Bundespartei nicht reinreden lassen. Am deutlichsten zeigte sich das im Dezember, als sie eine Erhöhung der Rundfunkgebühren auf eigene Faust und gegen den Willen der Bundes-CDU blockierte.
Empfohlener externer Inhalt
Kurze ist gefragt an diesem Abend, im Minutentakt wollen Medien ihn für ein Statement sprechen. Er ist ein guter Redner, freundlich, witzig, zugänglich. Aber er ist auch einer, der dem rechten Flügel der Union nähersteht als Reiner Haseloff. Er sagt, dass man kriminelle Ausländer abschieben müsse und die CDU das schon vor der AfD auf ihren Wahlplakaten stehen hatte.
Auch Haseloff freut sich über das Ergebnis, wenn auch wesentlich verhaltener. Auf der Wahlparty-Bühne der CDU küsst er seine Frau und sagt, die Wahl habe er vor allem ihretwegen gewonnen. „Sie wusste“, sagt Haseloff, „wenn wir nicht alles ins Rennen werfen, dann kommen wir in ein schwieriges Fahrwasser.“ Das wolle man seinem Heimatland nicht antun. Es ist eine Rede gegen die AfD.
Er gibt der Union in Sachsen-Anhalt Stabilität, hat die Partei durch jede Krise gelenkt und dabei bisweilen auch gegenüber der eigenen Basis verteidigt, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD gibt. Zuletzt, als er den ehemaligen Innenminister Holger Stahlknecht entließ, weil dieser sich in einem Interview positiv auf eine AfD-gestützte Minderheitsregierung bezog.
Haseloffs sturer Kurs scheint sich gelohnt zu haben. Die CDU konnte ihre Stimmenanteile trotz des großen Bangens halten. Der Soziologe David Begrich sagt, die CDU habe von Haseloffs Stabilitätserzählung profitiert. Auch, weil dieser sich in den vergangenen Monaten als unbesiegbar präsentiert hat.
Empfohlener externer Inhalt
Die letzten Wochen waren eine Zitterpartie für die demokratischen Kräfte im Land, zu groß die Angst, dass die AfD gewinnen könnte. Es ist ein bedeutsamer Abend und das merkt man den Anwesenden an.
Die CDU braucht Koalitionspartner:innen
Trotz des unerwarteten Ergebnisses wird es nicht für die CDU alleine reichen. Also geht es nun darum, Koalitionspartner:innen zu finden. Kenia, wie die bisherige Koalition aus CDU, SPD und Grünen genannt wird, war wahrlich keine Liebesheirat, das betonen alle. Aber ein notwendiges Übel, um nicht mit der AfD zu kooperieren.
Doch nun ist auch die FDP zurück im Spiel und für die Konservativen wäre eine Koalition mit den Liberalen ein Traum. Zu oft gab es in der vergangenen Legislaturperiode Konflikte zwischen CDU und Grünen. Für eine Mehrheit reichen würde es mit der FDP alleine jedoch nicht.
Eva von Angern ist die souveräne Spitzenkandidatin der Linken. Sie war die erste Kandidatin, die am Morgen zur Wahlurne schritt. Trotz der deutlichen Verluste von etwa 5 Prozentpunkten gibt sie sich selbstbewusst. „Klar hätte ich mir ein anderes Ergebnis gewünscht“, sagt sie der taz. „Aber wir sind eben vom Bundestrend und der Pandemie nicht losgelöst.“ Von Angern, klare Stimme und freundlicher Blick, sagt, sie glaube, dass viele Wähler:innen aus taktischen Gründen CDU gewählt haben. „Das Motto ‚CDU oder Barbarei‘ hat gezogen.“ Mit Nachdruck sagt sie, sie erwarte nun, dass Haseloff zeitnah eine Regierung bilde. Aber: „Nachdem Herr Haseloff öffentlich gesagt hat, dass alle, die nicht CDU wählen würden, dem Land schadeten, frage ich mich, mit wem er überhaupt noch koalieren will.“
Grüner Pragmatismus
Fragt man die Grünen-Politikern und Umweltministerin Claudia Dalbert, dann bleibt sie pragmatisch. Sie sagt, der Auftrag zur Regierungsbildung liege bei Haseloff. Sicher habe man sich einen stärkeren Zuwachs erhofft. Aber sie sei auch zuversichtlich. „Wir haben ein deutlich besseres Ergebnis als bei der letzten Landtagswahl.“
Nicht vergessen darf man bei all dem Wahltaumel jedoch, dass mit der AfD erneut eine rechtsextreme Partei zweitstärkste Kraft geworden ist. „Das Wählermilieu der AfD ist stabil“, sagt Soziologe Begrich dazu. „Jetzt zeigt sich: Der scharfe Rechtskurs der Partei trifft auf Akzeptanz.“ Erst im Januar stufte der Verfassungsschutz den Landesverband als rechtsextremen Verdachtsfall ein.
Keine Koalition mit der AfD
Für Reiner Haseloff, das versichert er an diesem Abend erneut, ist eine Koalition mit der AfD trotz der Mehrheiten keine Option. Aber er kämpft mit diesem Kurs an manchen Stellen auch gegen die eigene Basis. Auf kommunaler Ebene gibt es immer wieder Kooperationen zwischen AfD und CDU, auch im Landtag hat man bereits gemeinsam abgestimmt. Außerdem steht der CDU-Landesverband ja für eine Politik rechts der Mitte, obwohl Haseloff die moderate Figur an der Spitze ist. Er wird sich gegen diese rechten Fliehkräfte in seiner Partei stemmen müssen.
Dennoch wird er an diesem Abend auf der Wahlparty gefeiert. Junge CDUler tragen Wahlplakate mit seinem Konterfei herum, sie jubeln, wenn er auf den Live-Bildschirmen erscheint. Haseloff sagt, es sei „eine große Herausforderung“, dass so viele Menschen AfD gewählt haben. Er wolle diese Wählerschaft „systematisch zu großen Teilen zurückholen“. Und sagt damit indirekt: Die CDU müsse Politik für AfD-Wähler:innen machen.
Wie es weitergeht, hängt zu großen Teilen von Haseloff ab. Und davon, mit wem die CDU bereit ist zu koalieren. In welche Richtung es geht, das lässt an diesem Abend noch niemand durchblicken. Nur so viel sagt Haseloff: „Wir lassen uns von Berlin nicht reinreden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Ineffizienter Sozialstaat
Geteilte Zuständigkeiten
Gesetzentwurf aus dem Justizministerium
Fußfessel für prügelnde Männer
Europarat beschließt neuen Schutzstatus
Harte Zeiten für den Wolf