Wahl zum Verfassungskonvent: Niederlage für Rechte in Chile
Bei der Wahl zum Verfassungskonvent haben viele unabhängige Kandidaten Plätze gewonnen. Die regierende Rechtskoalition hat wenig Einfluss.
14,9 Millionen Wahlberechtigte waren am Wochenende aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die Beteiligung lag bei knapp 39 Prozent. Rund 1.300 Kandidat*innen hatten sich für einen Sitz im Verfassungskonvent zur Wahl gestellt. Frauen und Männer sollen darin jeweils zur Hälfte vertreten sein, 17 Mandate sind den indigenen Gemeinschaften vorbehalten.
„Piñera hat die Rechte versenkt“, so der Tenor am Sonntagabend bei den Gewinner*innen. Das sind in erster Linie die politisch unabhängigen Kandidat*innen, die zusammen 65 Mandate errangen. Deutlich besser als erwartet schnitt auch das linke Bündnis Apruebo Dignidad ab, das 28 Mandate erhielt. „Ab heute sind wir eine konsolidierte politische Kraft“, sagte die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Beatriz Sánchez, die einen Sitz im Konvent erringen konnte.
Präsident Sebastián Piñera
Das frühere Mitte-links-Regierungsbündnis Concertación aus Christdemokrat*innen, Sozialist*innen und Sozialdemokrat*innen kam dagegen auf nur 25 Mandate. „Die Concertación ist tot und wurde schon vor langer Zeit begraben, die Menschen wollen Veränderungen“, kommentierte Heraldo Muñoz, Vorsitzender der beteiligten Partido por la Democracia.
Verfassungsentwurf spätestens 2022
Dem rechten Regierungsbündnis war in den Umfragen der Gewinn von mindestens einem Drittel der Mandate vorhergesagt worden. „Wir sind nicht ausreichend auf die Forderungen und Wünsche der Bürger ausgerichtet“, räumte Präsident Sebastián Piñera am Sonntagabend ein. Rein rechnerisch kommen die Unabhängigen sowie die beiden Oppositionsbündnisse auf eine Summe von 118 Mandaten.
Wegen der Pandemie war der ursprünglich für April angesetzte Urnengang auf Mai verschoben worden. Spätestens in einem Jahr soll der Konvent einen neuen Verfassungsentwurf vorlegen, über den die Bevölkerung abstimmen wird.
Dem Beschluss zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung im November 2019 waren heftige soziale Unruhen vorausgegangen. Die Proteste zwangen die Regierung von Präsident Sebastián Piñera letztlich zu diesem Schritt. Noch immer gilt in Chile die Verfassung der Pinochet-Diktatur aus dem Jahr 1980, die de facto den Neoliberalismus als alleinige Wirtschaftsdoktrin festschreibt. Deshalb ist auch knapp 30 Jahre nach dem Ende der Diktatur noch immer nahezu alles in privater Hand, darunter Bildung, Gesundheit, Renten, selbst die Wasserversorgung.
Deftige Niederlagen für die Rechte setzte es auch bei den zugleich abgehaltenen Kommunal- und Gouverneurswahlen. Nicht anders als historisch ist das Scheitern der Wiederwahl von Felipe Alessandri von der rechten Renovación Nacional als Bürgermeister der Hauptstadt Santiago zu bezeichnen. Mit Irací Hassler wird erstmals eine Kommunistin das Amt einnehmen. „Dies ist der Auftakt zu dem, was in unserem Land kommt: Die Rechte wird nie wieder gegen unsere Nachbarn herrschen, die unter dieser Regierung Hunger, Elend und Verlassenheit erlitten haben“, sagte die 30-Jährige ihrer jubelnden Anhängerschaft.
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