Wahl in der Türkei: Aus Grün mach HDP
Um einem möglichen Verbot zuvorzukommen, tritt die kurdische HDP auf der Liste der Grün-Linken an. Kandidaten werden so ersetzt, Anhänger sind enttäuscht.
Der Grund dafür ist das laufende Verbotsverfahren gegen die Partei vor dem Verfassungsgericht. Die Partei hatte bei dem Gericht beantragt, das Verfahren bis nach der Wahl auszusetzen, was dieses aber ablehnte. Daraufhin hat sich die Parteiführung entschlossen, die Notbremse zu ziehen – um nicht womöglich kurz vor der Wahl mit einem Verbot konfrontiert zu sein.
Stattdessen wird die HDP nun auf der Liste der Grüne-Linke (Yesil-Sol Parti), die schon länger mit der HDP zusammenarbeitet, kandidieren. Weil am Sonntag der Stichtag war, um die Kandidatenlisten der Parteien beim Hohen Wahlrat einzureichen, musste sich die Parteiführung der HDP entscheiden. Obwohl die Partei also offiziell noch gar nicht verboten ist, werden die potentiellen HDP-Wähler und Wählerinnen nun aufgefordert, für die Yesil-Sol Parti zu stimmen.
Um der Kritik vor allem aus traditionellen kurdischen Kreisen an dieser Entscheidung entgegen treten zu können, hat die HDP-Führung bei der Fusion mit der kleinen grünen Partei auf die Kandidaten von Yesil-Sol wenig Rücksicht genommen. Die Listen sind weitgehend kurdisch besetzt. Selbst in Wahlbezirken im Westen der Türkei an der Ägäis-Küste, in denen die Yesil-Sol stark ist, wurden weitgehend kurdische Kandidaten durchgesetzt. Nur in Izmir kandidiert der Parteivorsitzende von Yesil-Sol, Ibrahim Akin, auf dem ersten Platz. Die bisherige HDP-Vorsitzende Pervin Buldan kandidiert im ostanatolischen Van, ihr Co-Vorsitzender Mithat Sancar im südöstlichen Urfa.
Deutsch-Türke Mustafa Yeneroğlu tritt für die Opposition an
Viele Yesil-Sol Mitglieder sind enttäuscht über die Liste der Kandidaten und Kandidatinnen und befürchten, dass diese Machtdemonstration perspektivisch die Zusammenarbeit zwischen den Kurden und türkischen Linken erschweren wird.
Für viele türkische Linke ist bereits jetzt die Türkische Arbeiterpartei (TIP) zum neuen Hoffnungsträger geworden, die zwar in einigen Provinzen auch mit der Yesil-Sol Liste zusammenarbeitet, in anderen Wahlbezirken aber eigene Kandidaten aufgestellt hat.
Auch die anderen Parteien mussten bis Sonntagabend ihre Kandidatenlisten einreichen und haben teilweise bei den aufgestellten Kandidaten auch ihre Wahlbündnisse berücksichtigt. So hat die sozialdemokratisch-kemalistische CHP des Präsidentschaftskandidaten Kemal Kılıçdaroğlu insgesamt 60 Kandidaten von vier kleineren Parteien, die zu dem Wahlbündnis der Opposition gehören, mit auf ihre Liste gesetzt.
Der in Deutschland bekannteste von ihnen ist Mustafa Yeneroğlu, früher der prominenteste Deutsch-Türke in der AKP, der sich später von Präsident Reccep Tayip Erdoğan abwandte und sich dem AKP-Dissidenten und früheren Finanzminister Ali Babacan und dessen Deva Partei anschloss. Die ist nun Teil des Sechsparteienbündnisses der Opposition.
Die rechtsradikale MHP lässt einen Faschisten kandidieren
Erdoğans AKP hat einige Vertreter zweier islamistischer Kleinstparteien, die ihn bei der Präsidentschaftswahl unterstützen wollen, auf ihre Kandidatenliste genommen. Vor allem die Kandidaten der islamistischen kurdischen Hüda-Par-Partei stoßen selbst innerhalb der AKP auf Kritik. Die Hüda Par will die Frauenrechte dramatisch einschränken und hatte in der Vergangenheit Kontakte zu der terroristischen kurdischen Hisbollah, die in den 90er Jahren für etliche Morde an politischen Gegnern bekannt war.
Die rechtsradikale MHP, der engste Koalitionspartner Erdoğans, hat einen bekannten Faschisten auf ihre Liste gesetzt, der in den 70er Jahren an einem Mordanschlag gegen linke Studenten beteiligt war und dafür verurteilt wurde, später nach dem Militärputsch 1980 aber wieder freikam.
Wer im Parlament – die Parlamentswahlen finden zeitgleich zu den Präsidentschaftswahlen statt – später die meisten Sitze erhalten wird, ist völlig offen. In den meisten Umfragen liegt die CHP knapp hinter der AKP, aber die Opposition hofft, dass die Wahlallianz die CHP doch beflügeln wird.
Erdoğan hat vor einem Jahr ein neues Wahlgesetz durchgedrückt, dass am 12. April in Kraft treten wird, und die großen Parteien stark begünstigt. Die erste Partei bekommt jetzt im Vergleich zum früheren Wahlrecht mehr Abgeordnete – was insbesondere in den sicheren AKP-Wahlkreisen in Zentralanatolien zu mehr Abgeordneten für die AKP führen könnte. Andererseits sind die Folgen des Erdbebens schwer zu kalkulieren. Erdoğan muss befürchten, dass er in einigen früheren AKP-Hochburgen im Katastrophengebiet schwere Einbußen hinnehmen muss.
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