Linke in der Türkei: Stark wie lange nicht

Die Arbeiterpartei TIP erreicht junge Menschen, dank ihres Chefs Erkan Baş. So geht die Linke mit neuer Kraft in den türkischen Wahlkampf.

Begeisterte Anhänger der TIP Partei schwenken Regenbogenfahnen in einem Saal

Istanbul Anfang April: Die Arbeiterpartei begeistert ihre jungen Anhänger Foto: Tolga Ildun/imago

IZMIR taz | „Wow, ist der nicht süß?“ Die Transfrau mit einer großen Regenbogenfahne in der Hand ist ganz hingerissen von dem Mann, der auf dem Dach des Demo-Busses am Rande des 1.-Mai-Umzugs der linken Gruppen in Istanbul steht. Auch wenn er schwer zu verstehen ist, in Windeseile sammelt sich um den Bus eine immer größere Menge. Erkan Baş, der jugendlich wirkende Vorsitzende der TIP, der Türkischen Arbeiterpartei, ist der neue Star der Linken.

Er ist locker, immer für einen flotten Spruch gut, und hat sich mit seinen Reden im Parlament, aber auch durch seine Videos auf Youtube ein zunehmend größeres Publikum verschafft. Das ist auch auf der 1.-Mai-Demo zu besichtigen.

Statt zu der traditionellen Gewerkschaftsveranstaltung zu gehen, sind tausende, vor allem junge Leute, zur TIP-Demo auf der asiatischen Seite Istanbuls gekommen. Zusammen mit dem bekannten Investigativ-Journalisten Ahmet Şik, der ehemaligen CHP-Abgeordneten Sera Kadigil und dem ehemaligen HDP-Abgeordneten Barış Atay hat Erkan Baş im Parlament eine eigene Gruppe gebildet, die die seit Jahren nur noch vor sich hindämmernde TIP zu neuem Leben erweckt hat.

Die neue Attraktivität der TIP ist aber nicht nur dem Charisma von Erkan Baş geschuldet, es hat auch damit zu tun, dass die kurdisch-linke HDP in den letzten Jahren von ihrem Anspruch, eine linke Partei für die ganze Türkei sein zu wollen, mehr und mehr abgerückt ist.

Neuerliche Spaltung?

Obwohl die HDP bei den kommenden Wahlen am 14. Mai unter dem Namen der „Grünen-Linken“ antritt, beklagen sich viele Mitglieder der Kleinpartei, dass die HDP bei der Aufstellung der Kandidatenlisten auf die Gemeinsamkeit von kurdischen und türkischen Linken wenig Wert gelegt und sehr rücksichtslos überall ethnische Kurden als Kandidaten durchgesetzt habe.

TIP gehört auch zum Wahlbündnis der Grünen-Linken, hat aber auch eigene Kandidaten aufgestellt. Für die Wahl des zukünftigen Präsidenten spielt das keine Rolle. Da werden alle anderen kleineren linken Parteien den gemeinsamen Kandidaten der Opposition, Kemal Kiliçdaroğlu, unterstützen. Aber für die Wahlen zum Parlament könnte die TIP der HDP Stimmen wegnehmen.

Im Schatten der Präsidentschaftswahl zeichnet sich damit eine Entwicklung zur neuerlichen Spaltung von kurdischen und türkischen Linken ab, die vor Jahren vom damaligen HDP-Co-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş erfolgreich bekämpft worden war.

Doch das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein. Mit ihrer Mobilisierung der Großstadtjugend und der LGBTIQ-Community erreicht die TIP Leute, die die HDP zuvor nicht erreicht hat. Wenn das am Ende doch zu gemeinsamen Aktivitäten führt, könnte diese neue Linke dem Mitte-Rechts-Bündnis von Kiliçdaroğlu mehr Paroli bieten, als es die HDP allein könnte.

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