piwik no script img

Wahl in RumänienBrandbeschleuniger Georgescu

William Totok
Kommentar von William Totok

Ein Außenseiter hat in der ersten Runde der Parlamentswahl in Rumänien mit rechten Parolen abgeräumt – und verstetigt damit einen politischen Trend.

Bukarest, Rumänien, 25. November: in einem Fenster hängen Wahlplakate des Präsidentschaftskandidaten Calin Georgescu Foto: Andreea Campeanu/reuters

D er Sieg eines Rechtsextremisten in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Rumänien ist ein weiterer Beweis für eine besorgniserregende internationale Trendwende. Illiberale Positionen innerhalb der Europäischen Union werden zunehmend salonfähig. Zu der Galerie euroskeptischer Politiker wie Viktor Orbán, Giorgia Meloni, Geert Wilders, Marine Le Pen, Herbert Kickl gesellt sich nun auch der Rumäne Călin Georgescu.

Sein unvorhergesehener Sieg und die Chance, am 8. Dezember sogar Staatspräsident Rumäniens zu werden, macht ein lange ignoriertes politisches Symptom sichtbar. Ein Symptom, das auch in anderen europäischen Ländern kleingeredet und verharmlosend als eine kurzlebige Form des Protestes unzufriedener Wähler abgetan wird. Die oft gehörte Forderung, in der demokratischen Presse über rechtsradikale Gruppierungen lieber nichts zu schreiben, denn diese seien ja Randerscheinungen und würden den Lauf der Gesellschaft nicht beeinflussen, haben sich als unhaltbar erweisen. Besonders in Rumänien, aber auch in anderen EU-Ländern, in denen erst nach den Erfolgen ultrarechter Parteien ein Weckruf durch gewisse Medien ging.

Trotz der Alarmsignale finden meist konservative Kommentatoren immer neue Argumente, um den Aufstieg der extremen Rechten mit verschwörungstheoretischen Erklärungen zu verharmlosen. Dabei wird ignoriert, dass die Unterstützer rechtsextremer Gruppen keine ferngesteuerten Zombies sind, sondern Leute, die eine Überzeugung haben und diese bei Wahlen auch kundtun. Beliebt in diesem Zusammenhang sind die Darlegungen, all diese Parteien seien manipulierte Marionetten des Kremls und ihre Wähler bloß irregeführte Menschen, die nicht selbst denken.

Unter den heutigen Rechtsextremisten mag es wohl eine bestimmte Anzahl von Sympathisanten Putins geben, aber es gibt unter ihnen auch unzählige Verehrer von Donald Trump. Das ist natürlich kein überzeugender Beweis dafür, dass der zeitgenössische Rechtsextremismus nur ­einer fremden Anleitungsmaschine folgt. Dieses Erklärungsmuster findet sich häufig in Rumänien, gerade um von den Versäumnissen der etablierten Parteien abzulenken, die sich als demokratisch definieren und dem Muster und den Gepflogenheiten eines parlamentarischen Mehrparteiensystems entsprechen.

Die Erwägung, mit populistischen Gegenmaßnahmen dem Aufstieg der extremen Rechten entgegenzuwirken, ist nicht nur kontraproduktiv, sondern wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Wasser kann einen Brand löschen, aber nicht populistisches Benzin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

William Totok
William Totok, geb. in Groß-Komlosch (Rumänien); Studium der Germanistik und Rumänistik in Temeswar; Gründungsmitglied der „Aktionsgruppe Banat“ (1972–1975); politische Haft wegen „Verbreitung staatsfeindlicher Gedichte“ (1975–1976); lebt seit 1987 als freischaffender Schriftsteller und Publizist in Berlin und schreibt u.a. für die taz. Letzte Veröffentlichungen: „Zwischen Mythos und Verharmlosung. Über die kritische Vergangenheitsbewältigung, Ion Gavrilă Ogoranu und den bewaffneten, antikommunistischen Widerstand in Rumänien“, (Iaşi 2016, zusammen mit Elena-Irina Macovei), „... an den Fahnenstangen fault die Wut. Gedichte, (Ludwigsburg 2016).
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Der Reichtum auf der Erde ist extrem ungleich verteilt, die verfügbaren Ressourcen werden knapper und die Leute spüren das. Die Schlacht am sich erhitzenden Buffet hat begonnen. Jeder für sich und Gott gegen alle. (© Werner Herzog)



    Kooperieren würde die Menschheit weiterbringen, aber ich fürchte, das sehen die wenigsten so.