Wahl in Nordirland: Noch nicht in trockenen Tüchern
Nach ihrem Wahlsieg stellt die Sinn Féin die Regierungschefin Nordirlands. Ob O´Neill das ihr zustehende Amt antreten kann, hängt von der DUP ab.
D as Wort „historisch“ kommt im Zusammenhang mit Nordirland häufig vor. Diesmal ist es allerdings gerechtfertigt. Zum ersten Mal ist Sinn Féin, der ehemalige politische Flügel der inzwischen aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee (IRA), bei Wahlen stärkste Partei geworden und stellt mit Michelle O’Neill die Erste Ministerin der Regionalregierung.
Genau das sollte verhindert werden, als Nordirland vor 101 Jahren gegründet wurde. Man hatte damals eine Grenze gezogen, die sechs der neun Grafschaften der Provinz Ulster umfasste – ein Gebiet, in dem die Unionisten eine bequeme Zweidrittelmehrheit hatten. Damit ist es vorbei.
Für die Democratic Unionist Party (DUP), die für die Union mit Großbritannien eintritt und bisher den Ersten Minister stellte, ist das eine Katastrophe. Zwar war O’Neill bisher als Stellvertreterin vollkommen gleichberechtigt, aber die DUP hatte ihren Anhängern vorgegaukelt, dass die Union mit Großbritannien sicher sei, solange man den Ersten Minister stellte. Nun droht in nicht allzu ferner Zukunft ein Referendum über die irische Wiedervereinigung.
Vorerst wird O’Neill ihr Amt aber gar nicht antreten können, denn die DUP wird keinen Stellvertreter nominieren. Das ist laut Belfaster Abkommen von 1998 jedoch vorgeschrieben, um die Alleinherrschaft einer Partei zu verhindern, denn das hat schon mal ins Verderben geführt.
Der DUP ist das Nordirland-Protokoll des Brexit-Vertrags ein Dorn im Auge, weil Nordirland dadurch in der EU-Zollunion bleibt und eine Grenze zwischen Nordirland und dem Unionisten-Mutterland Großbritannien entstanden ist. Um dieses Problem zu lösen, bedürfte es der Hilfe des britischen Premierministers Boris Johnson, doch den interessiert die Krisenprovinz herzlich wenig.
Aber selbst wenn es eine Lösung gäbe, wäre eine nordirische Regierung noch lange nicht in trockenen Tüchern. Ob man sich vorstellen könne, bei einer Regierung unter der Ersten Ministerin O’Neill mitzumachen, wurden die DUP-Chefs gefragt. Sie verweigerten die Antwort. Dass man diese Frage überhaupt stellen muss, sagt einiges über das Demokratieverständnis dieser Partei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“