Wahl in Nordirland: Noch nicht in trockenen Tüchern
Nach ihrem Wahlsieg stellt die Sinn Féin die Regierungschefin Nordirlands. Ob O´Neill das ihr zustehende Amt antreten kann, hängt von der DUP ab.
![Michelle O´Neill von der Partei Sinn Féin, die die Wahl in Nordirland gewonnen hat Michelle O´Neill von der Partei Sinn Féin, die die Wahl in Nordirland gewonnen hat](https://taz.de/picture/5547736/14/30114686-1.jpeg)
D as Wort „historisch“ kommt im Zusammenhang mit Nordirland häufig vor. Diesmal ist es allerdings gerechtfertigt. Zum ersten Mal ist Sinn Féin, der ehemalige politische Flügel der inzwischen aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee (IRA), bei Wahlen stärkste Partei geworden und stellt mit Michelle O’Neill die Erste Ministerin der Regionalregierung.
Genau das sollte verhindert werden, als Nordirland vor 101 Jahren gegründet wurde. Man hatte damals eine Grenze gezogen, die sechs der neun Grafschaften der Provinz Ulster umfasste – ein Gebiet, in dem die Unionisten eine bequeme Zweidrittelmehrheit hatten. Damit ist es vorbei.
Für die Democratic Unionist Party (DUP), die für die Union mit Großbritannien eintritt und bisher den Ersten Minister stellte, ist das eine Katastrophe. Zwar war O’Neill bisher als Stellvertreterin vollkommen gleichberechtigt, aber die DUP hatte ihren Anhängern vorgegaukelt, dass die Union mit Großbritannien sicher sei, solange man den Ersten Minister stellte. Nun droht in nicht allzu ferner Zukunft ein Referendum über die irische Wiedervereinigung.
Vorerst wird O’Neill ihr Amt aber gar nicht antreten können, denn die DUP wird keinen Stellvertreter nominieren. Das ist laut Belfaster Abkommen von 1998 jedoch vorgeschrieben, um die Alleinherrschaft einer Partei zu verhindern, denn das hat schon mal ins Verderben geführt.
Der DUP ist das Nordirland-Protokoll des Brexit-Vertrags ein Dorn im Auge, weil Nordirland dadurch in der EU-Zollunion bleibt und eine Grenze zwischen Nordirland und dem Unionisten-Mutterland Großbritannien entstanden ist. Um dieses Problem zu lösen, bedürfte es der Hilfe des britischen Premierministers Boris Johnson, doch den interessiert die Krisenprovinz herzlich wenig.
Aber selbst wenn es eine Lösung gäbe, wäre eine nordirische Regierung noch lange nicht in trockenen Tüchern. Ob man sich vorstellen könne, bei einer Regierung unter der Ersten Ministerin O’Neill mitzumachen, wurden die DUP-Chefs gefragt. Sie verweigerten die Antwort. Dass man diese Frage überhaupt stellen muss, sagt einiges über das Demokratieverständnis dieser Partei.
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