Wahl-O-Mat vs. Real-O-Mat: Was soll ich bloß wählen?
Seit Mittwoch hilft der „Wahl-O-Mat“ bei der Entscheidung für die Bundestagswahl. Am besten ist das Tool, wenn man es mit einem zweiten ergänzt.
Beide sind hilfreiche Werkzeuge für alle, die sich nicht durch Wahlprogramme oder das taz-Archiv kämpfen wollen. Aber welches Tool hilft nun besser, um eine informierte Wahlentscheidung zu treffen?
Die Funktionsweise von „Wahl-O-Mat“ und „Real-O-Mat“ ist die gleiche. Man bekommt eine These und dazu drei Abstimmoptionen. Das Tool von FragdenStaat liefert 20 Thesen, zu denen man Stellung beziehen kann, der 2Wahl-O-Mat“ fast doppelt so viele, 38.
Gleich bei der ersten These wird klar, beim „Wahl-O-Maten“ muss man genauer hinschauen:. „Deutschland soll die Ukraine weiterhin militärisch unterstützen“. Unterstützen? Aber militärisch? Oder besser mit Hilfslieferungen?
Beide „O-Maten“ liefern Aussagen über gesellschaftlich debattierte Themen, mal mehr, mal weniger kontrovers. Der „Wahl-O-Mat“ kann mit seiner doppelten Thesenzahl viel konkreter werden: Neben Tempolimit, Asyl und Mietpreisbremse können wir abstimmen, ob die Bundespolizei an Bahnhöfen automatische Geschichtserkennung nutzen soll oder unter 14-Jährige strafrechtlich belangt werden sollen.
Besser den Realitätscheck machen
Nachdem man abgestimmt hat, kann man auch beim „Wahl-O-Maten“ einzelne Antworten doppelt gewichten. Dann folgt die Auswertung. Bei einem Testdurchlauf eines anonymen taz-Mitarbeiters kommt die Linke beispielsweise auf 96 Prozent, Grüne 88 und die SPD auf 82 Prozent.
Vergleicht man dieses Ergebnis mit dem „Real-O-Maten“, schaut also, wie die Parteien im Bundestag tatsächlich abstimmen, kommt der gleiche Mitarbeiter zu einem ganz anderen Ergebnis: Die Linkspartei bleibt bei nahezu demselben Ergebnis (94 Prozent), Grüne und SPD fallen jedoch auf 39 Prozent.
Woran liegt das? Grüne und Linke etwa versprechen laut „Wahl-O-Mat“ die gleiche Haltung bei der Frage, ob Bürgergeld bei Ablehnung von Jobs gestrichen werden soll. Schaut man beim „Real-O-Maten“, ist erkennbar, dass sich das nicht an der Realität messen lässt: Tatsächlich haben die Grünen im Januar 2024 dafür gestimmt, Bürgergeldempfänger:innen härter zu sanktionieren. „Notwendige Transformation“ des Bundeshaushalts war die Begründung.
Das Fazit: Beide Tools ergänzen sich gut. Der „Wahl-O-Mat“ ist die bessere Wahl, um sich darüber zu informieren, was die Parteien fordern, wollen, versprechen. Er hilft dabei, herauszufinden, was man nicht wählen will. Der „Real-O-Mat“ bietet in einem zweiten Schritt dann den Realitätscheck, um die Entscheidung weiter einzugrenzen.
Leider bildet er nicht alle Thesen des „Wahl-O-Maten“ ab, sodass seine Kontrollfunktion nur eingeschränkt nutzbar ist. Und seine Funktionsweise führt dazu, dass Oppositionsparteien, die keine Kompromisse bei ihrem Abstimmungsverhalten machen müssen, besser abschneiden.
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