Wagenknecht-Partei gegründet: Die vage Welt der Wagenknecht
Am Montag hat Sahra Wagenknecht in Berlin ihre neue Partei der Presse vorgestellt. Auch die Spitzenkandidaten zur Europawahl gab sie bekannt.
Beide sollen bei der Europawahl im Juni als Spitzenkandidaten für das neue „Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“ antreten, gab Wagenknechts Weggefährtin Amira Mohamed Ali bei der Pressekonferenz am Montag bekannt. Die Partei war erst am Vormittag in einem Berliner Hotel gegründet worden. Zu den rund 40 Gründungsmitgliedern gehören Sahra Wagenknecht und Mohamed Ali, die beide zu Vorsitzenden gewählt wurden.
Zum stellvertretenden Vorsitzenden wurde der Bauingenieur und Wirtschaftswissenschaftler Shervin Hagsheno, zum Generalsekretär der ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Christian Leye gewählt. Als Geschäftsführer amtiert nun der ehemalige Linken-Geschäftsführer in Nordrhein-Westfalen, Lukas Schön.
Das Medienaufgebot ist so groß wie im Oktober, als Wagenknecht mit ihren Getreuen an selber Stelle ihren Austritt aus der Linkspartei und die Gründung eines Vereins verkündet hatte, der die Parteigründung vorbereiten sollte. Damals saß der badische IT-Unternehmer Ralph Suikat mit auf dem Podium. Er wurde nun zum Schatzmeister der Partei ernannt. Bisher hat er bereits 1,4 Millionen Euro an Spenden eingesammelt, als Startkapital für die Partei.
Sympathie für Bauernproteste
Programmatisch habe sie „nicht so viel Überraschendes anzubieten“, gesteht Wagenknecht zunächst. Ein detailliertes Programm ihrer Partei werde erst zum Parteitag vorliegen und noch mit Experten erarbeitet. Einige Grundzüge wurden aber schon bei der Vereinsgründung im Oktober vorgestellt. Ihre Partei solle langsam und kontrolliert wachsen. „Wir gucken uns jeden an, der kommt“, um nicht Glücksritter und Hasardeure anzuziehen, die sich gar nicht mit den Zielen der Partei identifizieren. Das sei eine „Mammutaufgabe“, aber: „Wir sind zuversichtlich, zu allen drei Wahlen mit kompetenten Landeslisten antreten zu können.“
Fehlende konkrete Inhalte kompensiert Wagenknecht mit Populismus. „Hier vor der Tür protestieren die Bauern“, sagt sie. Die Regierung habe „keinen Plan, außer ihnen das knappe Geld aus den Taschen zu ziehen“. Über diese „Arroganz im Berliner Regierungsbezirk“ seien sie zu Recht wütend. „Ich bin froh, dass die Menschen sich jetzt wehren“, so Wagenknecht. Natürlich seien Traktoren in Berlins Mitte auch eine „Demonstration der Macht“, sagt sie lächelnd. Aber das gehöre nun mal zu einer Demokratie und zeige, „dass Protest sinnvoll und wichtig ist“.
Stolz ist Wagenknecht darauf, zwei Quereinsteiger an der Spitze ihrer Partei zu haben. Neben Ralph Suikat ist das Shervin Hagsheno, der an der Universität in Karlsruhe lehrt. „Auch ich habe in den vergangenen Jahren Vertrauen verloren“, sagt er. In die Außen-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik, deshalb habe er sich dem Bündnis von Sahra Wagenknecht angeschlossen. Ins selbe Horn stößt Thomas Geisel: Deutschland sei „ein Sanierungsfall geworden“. Die Energiewende und Digitalisierung komme nicht voran, der soziale Zusammenhalt sei gefährdet.
Geübt pariert Wagenknecht anschließend die Fragen der Journalistinnen und Journalisten. Warum tritt sie bei der Europawahl nicht selbst als Spitzenkandidatin an? „Weil mein Platz im Bundestag ist“, sagt Wagenknecht. Sie werde aber viel im Wahlkampf dabei sein. Es gehe schließlich „auch um das bundespolitische Signal“ an die Ampel.
Handele es sich bei ihrem Bündnis um eine linke Partei? Viele Menschen könnten mit diesen „Labels“ nicht mehr viel anfangen, sagt Wagenknecht. „Links“ werde heute mit Themen wie Gender und „Lifestyle-Fragen“ in Verbindung gebracht. Zugleich würden sogar Waffenlieferungen in Krisengebiete heute als linke Politik gelten – ein Seitenhieb auf Annalena Baerbock, die gerade den Verkauf weiterer Kampfjets an Saudi-Arabien freigegeben hat.
Bei der Klimapolitik bleibt sie vage. Der Klimawandel sei „natürlich eine ernste Herausforderung“, räumt sie ein. Aber Deutschland könne das nicht allein bewältigen, und die Ampel mache ohnehin alles falsch. Das Heizungsgesetz sei „nicht sinnvoll“, Fernwärme sei besser, als alte Gebäude mit Wärmepumpen aufzurüsten. Statt die Lkw-Maut zu erhöhen, sollten mehr Güter auf die Schiene verlagert und die Kapazitäten bei der Bahn erhöht werden. Und statt Verbrennermotoren zu verbieten, sollten Automobilkonzerne Anreize bekommen, verbrauchsärmere Modelle zu entwickeln.
Heikel wird es auch beim Thema Migration. „Wir haben eine unkontrollierte Migration, die Zahlen sind zu hoch“, sagt Wagenknecht, die bisherige Migrationspolitik sei insgesamt „verfehlt“, das könne „jeder Kommunalpolitiker bestätigen“. Denn das individuelle Grundrecht auf Asyl bringe die Kommunen an ihre Grenzen.
Wagenknecht spricht sich für Asylverfahren an den Außengrenzen und in Drittstaaten aus und behauptet forsch, weniger als ein Prozent aller Asylsuchenden würden Asyl erhalten – was so nicht stimmt und ihr von einer Journalistin auch Widerspruch einbringt.
Martin Schirdewan, Co-Vorsitzender Die Linke
Fabio De Masi versucht später, abzuwiegeln: Sicher sei man nicht in allem einer Meinung, schließlich wolle man „Volkspartei“ sein, aber das Recht auf Asyl stehe außer Frage. Und, sagt er: „Mein Großvater war in Italien Widerstandskämpfer. Ich würde nie in eine Partei eintreten, die rechtsnational ist.“ Auch der Vorwurf der Russlandnähe sei „infam“.
Der Co-Vorsitzende der Linkspartei, Martin Schirdewan, reagierte indes betont gelassen auf die Gründung der neuen Partei. „Es handelt sich um keine neue linke Formation“, sagt er am Montag im Karl-Liebknecht-Haus, der Parteizentrale der Linken. Er sehe deshalb im BSW auch keine Konkurrenz und konzentriere sich vielmehr darauf, die Linkspartei zu stärken.
Deutlichere Worte findet seine Stellvertreterin Katina Schubert. „Eine Partei, die mit Fantasiezahlen beim Thema Migration Stimmung macht, gibt es bereits schon“, kommentiert Schubert gegenüber der taz die Asylaussagen Wagenknechts. Aber es zeige auch deutlich, „in welchem Spektrum sich die Truppe verordnen wird“. Dass das BSW für den Europawahlkampf jemanden ins Rennen schicken wolle, „der meint, dass die Agenda 2010 nicht hart genug durchgezogen wurde“, sei „vieles, aber keine Opposition gegen die Ampel“, sagte Schubert mit Blick auf Thomas Geisel. Der ehemalige SPD-Politiker hält den Umbau des Sozialsstaats durch Gerhard Schröder bis heute für vorbildlich.
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